Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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deutschen Staates durch Benutzung des formellen Stimmrechts ein verhängnis- 
voller Beweis von dem im Reich wachsenden Partikularismus sei. Allein, wenn 
man diesem Partikularismus die Kraft zutraut, gegen den energischen Willen 
Preußens und der Reichsregierung eine wichtige politische Entscheidung durch- 
zusetzen, so darf man wenigstens die Hergänge, die an diesen Gesetzentwurf sich 
anschlossen, nicht als Beispiel dafür citiren. Denn Thatsache ist, daß die Reichs- 
regierung nichts dafür gethan hat, um rechtzeitig die Bundesregierungen auf 
den Wert aufmerksam zu machen, den sie auf die Wahl der Reichshauptstadt 
als Sitz des Reichsgerichts legt. Vielmehr hat man die kleinen und kleinsten 
Bundesregierungen vollständig sich selbst überlassen. Viele wußten gar nicht, 
ob der Reichskanzler eigentlich für Leipzig oder Berlin sei, manche nahmen 
sogar das erstere an. Wenn also das Resultat der Abstimmung im Bundesrat 
und im Reichstag bedauert wird, so ist in erster Linie nicht nur der Parti- 
kularismus, sondern die Regierungslosigkeit im Reiche selbst für den Ausgang 
verantwortlich zu machen. Die Vorgänge, die sich an den Gesetzentwurf knüpften, 
sind auf jeden Fall bedauerlich, eine Frage von dieser Bedeutung durfte von 
der Reichsregierung nicht mit Passivität den Abstimmungen des Bundesrats 
oder des Reichstags überlassen werden. Sie mußte feste und entschiedene 
Stellung nehmen, sei es für Berlin, sei es für Leipzig. Welche Wahl man 
auch traf, der führende deutsche Staat und der Reichskanzler an der Spitze 
mußten für das eine oder andere voll und ganz einstehen." 
Der „Berliner Börsen-Courier“" brachte folgende Nachricht: „Die Rede, welche 
der Abgeordnete Lasker am vorgestrigen Tage gehalten hat, hat, wie man uns aus 
authentischer Quelle mitteilt, eine Art Konflikt mit dem Reichskanzler zur Folge 
gehabt. Herr Lasker sprach sich, wie bekannt, darüber aus, daß der Reichs- 
kanzler nicht zur persönlichen Vertretung des Gesetzes anwesend sei und Fürst 
Bismarck, dem sofort die Vorgänge im Reichstage gemeldet wurden, glaubte 
aus den Laskerschen Worten den Vorwurf einer Pflichtwidrigkeit herauslesen zu 
können. Er schrieb infolge dessen an den Staatssekretär Dr. Friedberg sofort 
einige Zeilen, in denen er ihn ersuchte, jenen Laskerschen Vorwurf zurückzuweisen. 
Herr Friedberg aber replicirte — so werden diese Details in parlamentarischen 
Kreisen erzählt — daß er den Fürsten ersuche, diese Erwiderung persönlich zu 
thun. Darauf hin schrieb der Fürst an den Präsidenten Herrn v. Forckenbeck 
einige Zeilen, in denen er erklärte, er würde nicht wieder eine Versammlung 
betreten, in welcher man ihn der Pflichtwidrigkeit geziehen habe. So stehen 
die Dinge, und wir sind begierig, wie dieser neueste Konflikt zum Ausgleich 
oder zum Austrag kommen wird. In Reichstagskreisen hat der Fall selbst- 
redend das außerordentlichste Aufsehen erregt."“ 
Zur Abschwächung des Eindrucks, den die Majorisirung Preußens in der 
Reichsgerichtssache im Bundesrate machte, wurde offiziös geschrieben: „Die Ent- 
scheidung des Bundesrats über den künftigen Sitz des Reichsgerichts wird mit
	        
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