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Auch in der Zolltarifreform stand der Eisenbahnminister dem Reichskanzler
fördernd zur Seite. 1)
Nachdem Maybach zu der Ueberzeugung gelangt war, daß die Bundes-
staaten nicht geneigt waren, dem Reiche bezüglich ihrer Eisenbahnen auch nur
die kleinsten Konzessionen zu machen, wandte er sich verhältnismäßig nur selten
an den Bundesrat. Es schien ihm vorteilhafter, die wünschenswerten Reformen
auf dem Korrespondenzwege mit den betreffenden Bundesregierungen zu erörtern.
Am 9. Juli 1884 teilte der Minister Maybach dem Fürsten Bismarck
mit, daß in einer am 20. Juni abgehaltenen Generalkonferenz des Vereins
deutscher Eisenbahnverwaltungen, welchem die deutschen, österreichisch-ungarischen,
niederländischen und einzelne Eisenbahnverwaltungen anderer Länder angehören,
auf den Vorschlag der österreichisch-ungarischen Eisenbahnverwaltungen an Stelle
der außer Wirksamkeit tretenden Direktion der Berlin-Hamburger Eisenbahn-
gesellschaft die Königliche Eisenbahndirektion Berlin mit Stimmeneinheit
zur geschäftsführenden Direktion erwählt worden sei. „Zum erstenmal seit dem
Bestehen des deutschen Eisenbahnvereins, d. h. seit bald 50 Jahren, ist auf
eine Staatsverwaltung die Wahl gefallen, und zwar auf eine preußische, in
der nicht zurückgehaltenen Anerkennung, daß die preußische Staats-Eisenbahn-
verwaltung in Mittel-Europa eine Ausschlag gebende Bedeutung gewonnen
hat.“ Darauf reskribirte Bismarck am 13. Juli aus Varzin:
„Ew. Excellenz Mitteilung vom 9. d. M. habe ich mit verbindlichstem
Dank erhalten und mich von neuem gefreut, daß Ihre erfolgreiche Eisenbahn-
politik neben ihren materiellen Vorteilen für das Vaterland auch die wohlver-
diente Anerkennung des sonst mißgünstigen Auslandes erstritten hat.“ Es wird
nicht viele preußische Minister geben, die so ehrenvolle Kundgebungen ihres
großen Kollegen aufzuweisen haben.2)
1) April 1878 Aufforderung Maybachs, Hobrechts und Hofmanns zu Vorschlägen
bezüglich der Zoll= und Steuerreform. Ueber den Einfluß der Eisenbahnen auf die Zoll-
politik finden sich Maybachs Ansichten in seiner Verstaatlichungsvorlage vom 29. Okt. 1879.
Aktenstücke, Bd. I. S. 319.
2) Am 1. April 1890 bemerkte Bismarck in einer Ansprache an Beamte der preußischen
Eisenbahnverwaltung, welche ihm in Friedrichsruh einen Fackelzug darbrachten, er sei
Maybach, der seine Absichten auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens durchzusetzen verstand,
„zeitlebens zu Dank verpflichtet; denn was das Eisenbahnwesen anlangt, so hat er eigentlich,
nachdem ich ihm in den Sattel geholfen hatte, alles allein gemacht. Jeder Staat kann sich
Glück wünschen, der einen so tüchtigen Fachmann an leitender Stelle hat.“ Endlich brachte
die „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 321 vom 13. 7. 89 folgendes Entrefilet: Die „Freis. Ztg."
bespricht gewisse gegen Herrn v. Maybach gerichtete Kundgebungen der „Cöln. Ztg.“ und
des „Frankf. Journ.“, in denen verlangt wird, „daß an die Stelle des Herrn v. Maybach
ein Nachfolger trete, der mit den industriellen Bedürfnissen mehr vertraut und weniger in
bureaukratischen Vorurteilen befangen sei.“ „Dieser Vorwurf“, so schreibt das Richtersche
Blatt, „ist ein entschieden ungerechter. An eingehender Sachkenntnis fehlt es Herrn
v. Maybach in keiner Weise, und ebensowenig läßt sich behaupten, daß seine Leitung