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Preußen, vertreten durch den Minister des Innern Grafen Botho Eulen-
burg und durch den Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Friedberg, sprach
sich dawider aus. Zur großen Ueberraschung Kastners traten dagegen die
Königreiche Sachsen und Württemberg für das Amendement ein, und bei der
Schlußabstimmung wurde der bayerische Antrag mit Mehrheit zum Beschluß
erhoben. Preußen war im Ausschusse überstimmt worden. Als das Abstimmungs-
resultat feststand, erklärte der Minister Eulenburg: „Auf diese Wendung waren
wir nicht vorbereitet“, und er stellte den Antrag, in der Beratung nicht weiter
fortzufahren, vielmehr die Ausschußsitzung zu vertagen.
Der Schlüssel zu dem Erfolge Kastners lag in folgendem: Bismarck
hatte sich, anscheinend aus Gastein, mit der bayerischen Regierung über die
anderweitige Gestaltung der Beschwerde-Instanz geeinigt und gleichzeitig mit
Sachsen und Württemberg, denn die Bevollmächtigten zum Bundesrat dieser
Königreiche hatten kurz vor der betreffenden Ausschußsitzung aus Dresden
respektive Stuttgart die telegraphische Weisung erhalten, für den von Bayern
in der folgenden Ausschußsitzung gestellten Antrag — dessen Inhalt sie noch
gar nicht kannten — zu stimmen. Preußen aber war, anscheinend infolge
eines Versehens, von der Wendung der Dinge nicht in Kenntnis gesetzt worden
und infolge dessen gezwungen, nachträglich im Staatsministerium zu dem Kast-
nerschen Antrag Stellung zu nehmen.
3. Königreich Sachsen.
Staatsminister und Minister der auswärtigen Angelegenheiten
v. Nostitz Wallwitz)
(geboren 30. März 1826).
Als stimmführender Bevollmächtigter für das Königreich Sachsen nahm
Herr v. Nostitz Wallwitz namentlich bei der Vorberatung des Sozialistengesetzes
und in den ersten Stadien der Arbeitergesetzgebung an den Sitzungen des
Bundesrats öfter teil. Aus diesen Anlässen hat er auch wiederholt in dem
gastfreien Hause Bismarcks verkehrt.
1) Hermann v. Nostitz Wallwitz, geboren in Oschatz. Besuch der Fürstenschule in
Meißen, Studium der Rechte an der Universität Leipzig. 1851—1857 Landesbestellter der
sächsischen Oberlausitz, 1857—1862 Amtshauptmann in Löbau-Bautzen, 1862—1866 Kreis-
direktor daselbst, seit 1866 Minister des Innern, seit 1874 Mitglied des Reichstags, über-
nahm nach Friesens Rücktritt bis 1882 auch die auswärtigen Angelegenheiten; 1. Februar
1891 Rücktritt aus dem Staatsdienst unter Beibehaltung des Ministeriums des Königlichen
Hauses. Vgl. „Fünfundzwanzig Jahre sächsische Verfassungs= und Verwaltungsgeschichte.
Zur Erinnerung an den Staatsminister H. v. Nostitz“. Leipzig, 1891. Derselbe ist ein
Bruder des Bd. II. S. 141 genannten sächsischen Gesandten in Berlin.