— 276 —
übertragen (Depesche Bismarcks d. d. 6. März 1871,1) dem Tage der Abreise
Bismarcks von Versailles), welch schwierige Stellung er mit großem Geschick
und Takt ausfüllte.?)
Am 19. Juni 1871 übernahm Fabrice wieder die Leitung des sächsischen
Kriegsministeriums. Zum 1. Juli 1884, dem 50. Jahrestag seines Eintritts in
die Armee, übersandte Bismarck ein Glückwunschtelegramm. 3) Bei seinem Ableben
depeschirte Bismarck: „Ich bitte meiner und meiner Frau herzlichster Teilnahme
versichert zu sein."
Staatsminister Freiherr v. Friesen
(ef. Bd. I. S. 62).
In einer älteren Schrift aus der Zeit des Norddeutschen Bundes finde ich
über den in dieser Session aus dem Bundesrate geschiedenen Freiherrn
v. Friesen bei einer Beschreibung des Bundesratstisches folgende anschauliche
Skizze: Bismarcks nächster Nachbar im Reichstag ist der sächsische Staatsminister
v. Friesen. Ein ungleiches Paar, neben Goliath ein David, ganz dem räum-
lichen Verhältnisse Preußens zu Sachsen entsprechend. Herr v. Friesen ist aber
auch ein feiner Politiker; jede Miene in dem scharf geschnittenen Gesicht verrät
es. Er mag wohl manchesmal wie Alexander von Macedonien sprechen: Gebt
mir ein anderes Königreich, Sachsen ist für mich zu klein. Doch denkt er
vielleicht wiederum mit Cäsar, es ist besser, in Sachsen der erste zu sein als in
Preußen der zweite. Der sächsische Minister spricht gewandt und geläufig, wie
alle Dresdener, denen der Neid niemandes die Beweglichkeit der Zunge ab-
sprechen wird. Was ihm an Eindruck durch die Natur abgeht, sucht er durch
das volle Hineinlegen der geistigen Bedeutsamkeit in den Bilick zu erzeugen.
Wenn er spricht, was er unfehlbar immer nur thut, um dem Reichstag zu
zeigen, daß die preußische Regierung in ihren Bestrebungen an der sächsischen
volle Stütze finde, so wendet er sich in den wenigen Pausen, die er sich gestattet,
ein wenig nach Bismarck, als wenn er sagen wollte: Nicht wahr, ich spreche
dir doch recht? Ich gefalle dir doch besser als Herr v. Beust? — Der nächste
in der Reihenfolge der Bundesratsmitglieder ist der Präsident des Bundeskanzler-
Amts Delbrück. Er teilt mit dem Kollegen aus Sachsen das knappe Maaß, mit
dem die Natur seine Taille ausgestattet hat. Als Redner steht er ihm aber weit
nach, denn er spricht stets nur in der trockenen Manier des reinen Fachmannes.
1) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt. Dasselbe trifft zu von einer Depesche
Bismarcks an Jules Favre d. d. 4. März 1871 wegen eines verbrecherischen Ueberfalls
einer preußischen Truppenabteilung in der Umgebung von Epernay.
2) 2. April 1871 Telegramm Bismarcks an Fabrice, betreffend die Erhebung der
direkten Steuern in dem occupirten Frankreich; 27. April 1871 Erlaß an Fabrice über
die Ausführung des Präliminarfriedens durch Frankreich.
3) In Kohls Bismarck-Regesten unerwähnt. 12. Juni 1888 Fabrice bei Bismarck