278 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
dabei neben dem römischen Recht das germanische Recht gestaltend eingewirkt. Insbesondere
gilt dies von der volksrechtlichen Ehebegründung durch Kauf der Munt, worauf hier noch hin-
zuweisen ist.
Schon in den ältesten Rechtsquellen zerfällt der nach dem Verschwinden der ehebegrün-
denden Kraft des Frauenraubes für die Eingehung einer echten Ehe allein zulässig gebliebene
Munttaus, der einst durch einheitlichen beiderseitigen Realakt vollzogen sein mag, in zwei zeit-
lich und rechtlich getrennte Handlungen. Die Ehe wird daher notwendig durch eine Ver-
lobung eingeleitet. Die Verlobung ist der Kaufvertrag über die Munt, der unter Mit-
wirkung der beteiligten Sippen zwischen dem Bräutigam und dem Muntwalt der Braut (an-
fänglich ohne ihre Zustimmung, mehr und mehr nur unter ihrer Zustimmung), seit Ende der
fränkischen Zeit mit der Braut selbst unter Zustimmung ihres Muntwalts geschlossen wird.
Dabei wird der gesetzlich feststehende Muntpreis (Mundr, Muntschatz, meta, Wittum, dos) unter
Anwendung der Wettform oder der Gelöbnisform, insbesondere aber unter Zahlung eines
Angeldes, das bei den Franken einen solidus und einen denarius betrug, meist jedoch in einem
Ringe bestand, versprochen; seit die Braut sich selbst verlobt, erhält sie den Ring („ist der Finger
beringt, so ist die Jungfer bedingt") und gibt bald auch ihrerseits dem Bräutigam einen Ring.
Die Verlobung begründet bereits eine personenrechtliche Verbundenheit mit Treupflicht und
Unverbrüchlichkeit für Dritte und ist wesentliche Grundlage der Ehe. Der alte Begriff der Ver-
lobung wirkte auf das kanonische Recht (namentlich in der Lehre von den sponsalia de futuro
und de praesenti und der Umwandlung der ersteren in letztere durch Beischlaf) und auf das
protestantische Eherecht (bei der Behandlung der Brautkinder als ehelicher Kinder und der
Zwangstrauung) ein, wurde aber im neueren Recht unter dem Einfluß des römischen Rechts
mehr und mehr umgebildet. Heute ist das Verlöbnis unwesentlich, formfrei und begründet
keine Klage auf Eingehung der Ehe, sondern nur bei unberechtigtem Verlöbnisbruch gewisse Er-
satzansprüche. Immer aber ist es noch ein familienrechtlicher Vertrag, der eine personenrecht-
liche Verbundenheit erzeugt.
Vollzogen wurde die Eheschließung durch die Trauung. Sie ist Übergabe der Braut
an den Mann, später Selbstübergabe durch den von ihr ermächtigten Muntwalt oder gewählten
Vertreter. Dabei empfängt ursprünglich der Muntwalt den Muntschatz, nach den meisten
Volksrechten aber nur einen Teil oder überhaupt nichts; der Muntschatz wird nun der Frau
selbst als Wittum zugewandt (unten § 108). Mit der Trauung ist die ehemännliche Munt begründet,
während die eheliche Genossenschaft erst mit der feierlichen Beschreitung des Ehebetts (unter
Fackelgeleit) eintritt (Sachsensp. III a. 45 §J 3). Nach kanonischem Recht kommt die Ehe durch
bloße Konsenserklärung zustande; die Kirche forderte aber kirchliche Einsegnung, der oft die
Trauung durch den von der Braut darum ersuchten Geistlichen voranging. Das Tridentiner
Konzil band die Konsenserklärung an eine Form (coram competente parocho et duobus testibus).
Dagegen bildete das protestantische Kirchenrecht die kirchliche Trauung als Eheschließungsform
aus, woran sich das Preuß. LR. und andere Gesetze anschlossen. In neuerer Zeit wurde die
bürgerliche Eheschließung vor dem Standesbeamten zur alleinigen Eheschließungsform er-
hoben; im Personenstandsgesetz der Trauung nachgebildet (mit ehebegründendem Ausspruch
des Standesbeamten), ist sie im BG#B. (durch Verlegung der ehebegründenden Kraft in die
Erklärung der Verlobten) der Tridentiner Form angenähert.
Literatur: Friedberg, Das Recht der Eheschließung, 1865. Sohm, Das Recht der
Eheschließung, 1875. Friedberg, Verlobung und Trauung, 1876. Sohm, Trauung und
Verlobung 1876. Habicht, Die altdeutsche Verlobung, 1879. Dargun, Mutterrecht und
Raubehe (Unters. H. 16), 1883. Hübner § 91. Gierke, Schuld und Haftung S. 359 ff.
U. Stutz, Die Rechtsnatur des Verlöbnisses, 1900.
§ 101. Personenrechtliche Ehewirkungen. Die Ehe begründet nach deutschem Recht
eine auf das natürliche und sittliche Verhältnis der Geschlechter gegründete volle Lebensgemein-
schaft („Mann und Weib sind ein Leib"). Dieeheliche Gemeinschaftverbindet, während
sie im Übrigen die Sonderpersönlichkeit unberührt läßt, für ihren Bereich die Ehegatten dauernd
zum Ehepaar. Mann und Frau sind einander „Genossen“; sie bilden nach außen eine Per-
soneneinheit, die sich in Einheit des Namens, Standes, Wohnsitzes usw. ausdrückt, und haben
nach innen einen gegenseitigen Anspruch auf Zusammenleben und Treue. Die Gemeinschaft