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Dr. Leonhardt. Die Sitzung währte etwa 2 ½ Stunden, und schon hieraus
ist ersichtlich, daß große Debatten über die Beschlüsse des Justizausschusses nicht
stattgefunden haben können. Es wurde über dieselben mündlicher Bericht er-
stattet und zwar unter Hinweis auf die gedruckt vorliegenden Beschlüsse und
die dazu gehörigen Protokolle des Ausschusses; der Bundesrat trat, wie man
hörte, in allen Punkten dem Ausschusse bei und stimmte auch einigen neuen
Anträgen zu, welche von preußischer Seite eingebracht waren und sich auf die
Kompetenz der Handelsgerichte bezogen. Die Konkursordnung wurde im Bundesrat
ganz nach den Kommissionsbeschlüssen angenommen; ebenso bestanden hinsichtlich
der Zivilprozeßordnung keine wesentlichen Differenzen. 1)
Am 3. November 1876 teilte der Reichskanzler (in Vertretung Hofmann)
das Resultat der Beschlüsse des Bundesrats zu den Beschlüssen der mit der
Vorberatung der Justizgesetze betrauten Reichstags-Kommission dem Reichs-
tag mit.2)
Der status controversiz# geht übersichtlich aus einem Artikel der „Nat.-Ztg."
Nr. 519 v. 7. 11. 76 hervor, woselbst es heißt: „Unter den sechsundachtzig
Punkten, welche die Zusammenstellung der Bundesratsbeschlüsse zu dem Ergebnis
der zweiten Lesung der Justizgesetze in der Kommission des Reichstags aufweist,
sind manche lediglich von redaktioneller, viele andere von ganz untergeordneter
technischer Bedeutung, so daß die Zahl der ernstlichen Differenzen auf nicht
viel mehr als fünfzig sich belaufen wird.“
Als eigentlich politische Fragen stellten sich folgende heraus:
1. § 5f5 der Kommissionsvorschläge zur Gerichtsverfassung, welcher die
Normativbestimmungen für die von den Einzelstaaten zu errichtenden bezw.
beizubehaltenden Gerichtshöfe zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten zwischen
Justiz und Verwaltung enthielt; der Bundesrat hatte die Streichung dieses
Paragraphen beschlossen.
2. § 59a der Gerichtsverfassung über die Zuständigkeit für Preßvergehen,
dessen Streichung ebenfalls der Bundesrat beschlossen hatte.
3. § a des Einführungsgesetzes zur Gerichtsverfassung und damit zu-
sammenhängend § 6, Abs. 2 Nr. 2 des Einführungsgesetzes zur Strafprozeß-
ordnung; die Kommission hatte an letzterer Stelle den Vorbehalt gestrichen,
1) Ueber die Stellungnahme der preußischen Regierung zu den Reichs-Justizgesetzen
in der erwähnten Plenarsitzung des Bundesrats vgl. die „Nordd. Allg. Ztg. Nr. 260
v. 5. 11. 76.
2) Das betreffende Schreiben lautet: „Der Unterzeichnete beehrt sich dem Reichstag
unter Bezugnahme auf die in der heutigen Sitzung stattgehabte Verhandlung die beiliegende
Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundesrats zu den Beschlüssen, welche die mit der Vor-
beratung der Entwürfe eines Gerichtsverfassungsgesetzes, einer Zivilprozeßordnung und einer
Strafprozeßordnung sowie der zugehörigen Einführungsgesetze betraute Kommission des
Reichstags gefaßt hat, ganz ergebenst mitzuteilen.“