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Der Bundesrat hat sich bereits, als er zu den Anträgen der Kommission
Stellung zu nehmen hatte, von dem Bestreben leiten lassen, sich diesen Anträgen
thunlichst anzuschließen. Auch bei der erneuerten Beratung ist er bestrebt ge-
wesen, den Beschlüssen des Reichstags in zweiter Lesung gegenüber, die Differenz-
punkte auf das möglichst geringe Maß zurückzuführen. Er hat daher bei einer
großen Reihe von Punkten, obgleich sie ihm zu begründeten Bedenken Veranlassung
geben, dennoch darauf verzichtet, diese Bedenken weiter zu verfolgen. So sehr
aber auch die verbündeten Regierungen hiernach bereit waren, den Beschlüssen
des Reichstags entgegen zu kommen, so sehr fühlten sie sich doch andererseits
verpflichtet, in diesem Entgegenkommen diejenigen Grenzen einzuhalten, deren
Ueberschreitung als eine Gefährdung der ihrer Obhut vorzugsweise anvertrauten
öffentlichen Interessen erscheinen müßte.
Der unterzeichnete Reichskanzler hegt die Hoffnung, daß es auf Grund
der Beschlüsse des Bundesrats gelingen wird, das große nationale Werk der
deutschen Justizreform zu einem gedeihlichen Abschluß zu bringen.
Der Reichskanzler
v. Bismarck.
Die von dem Bundesrat für unannehmbar erklärten Beschlüsse des Reichs-
tags in Betreff der Reichsjustizgesetze waren folgende:
I. Gerichtsverfassungsgesetz.
§ 17. Die Gerichte entscheiden über die Zulässigkeit des Rechtsweges.
Die Landesgesetzgebung kann jedoch die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen
den Gerichten und den Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten über
die Zulässigkeit des Rechtsweges besonderen Behörden nach Maßgabe der fol-
genden Bestimmungen übertragen: 1. Die Mitglieder werden für die Dauer
des zur Zeit ihrer Ernennung von ihnen bekleideten Amts oder, falls sie zu
dieser Zeit ein Amt nicht bekleiden, auf Lebenszeit ernannt. Eine Enthebung
vom Amt kann nur unter denselben Voraussetzungen wie bei den Mitgliedern
des Reichsgerichts stattfinden. 2. Mindestens die Hälfte der Mitglieder muß
dem Reichsgericht oder dem obersten Landesgericht oder einem Oberlandesgericht
angehören. Bei Entscheidungen dürfen Mitglieder nur in der gesetzlich bestimmten
Anzahl mitwirken. Die Anzahl muß eine ungerade sein und mindestens fünf
betragen. 3. Das Verfahren ist gesetzlich zu regeln. Die Entscheidung erfolgt
in öffentlicher Sitzung nach Ladung der Parteien. 4. Sofern die Zulässigkeit
des Rechtsweges durch rechtskräftiges Urteil des Gerichts feststeht, ohne daß zuvor
auf die Entscheidung der besonderen Behörde angetragen war, bleibt die Ent-
scheidung des Gerichts maßgebend.
§ 69. Die zeitweilige Vertretung eines Mitgliedes oder die zeitweilige
Wahrnehmung einer Richterstelle kann außer durch einen ständigen Richter nur