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Gesetz, betreffend die Einführung der Zivilprozeßordnung vom 30. Januar
1877 (Reichs-Gesetzbl. S. 244),
Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877 (Reichs-Gesetzbl. S. 253),
Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877 (Reichs-
Gesetzbl. S. 346),
Konkursordnung vom 10. Februar 1877 (Reichs-Gesetzbl. S. 351),
Gesetz, betreffend die Einführung der Konkursordnung, vom 10. Februar
1877 (Reichs-Gesetzbl. S. 390).
Sitz des Reichsgerichts. Am 1. Februar 1877 legte Bismarck dem
Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes über den Sitz des Reichsgerichts nebst
dessen Begründung vor.1) Der einzige Paragraph des Gesetzes lautete: „Das
Reichsgericht erhält seinen Sitz in Berlin.“ Die beschleunigte Entscheidung über
den Sitz des Reichsgerichts war dringend, schon weil die baulichen Vor-
bereitungen, welche notwendig vorangehen mußten, eine erhebliche Zeit in
Anspruch nahmen. Der Vorschlag, Berlin zum Sitz des Reichsgerichts zu
erheben, wurde durch verschiedene Gründe unterstützt. Zunächst eignete sich die
Reichshauptstadt wegen ihrer geographischen Lage dazu; ferner sprachen dafür
die reichen Hilfsmittel, welche diese Stadt den Mitgliedern des Gerichts materiell
wie geistig bietet. Dazu trat noch mit ausschlaggebender Bedeutung, daß
Berlin die Residenzstadt des Kaisers ist, daß hier der Bundesrat und Reichstag
residiren und überdies die höchsten Reichsbehörden ihren Sitz haben. Fast in
allen größeren europäischen Staaten fällt der Sitz des höchsten Gerichts mit
dem Sitz der Staatsregierung zusammen. „Aus allen diesen Erwägungen,'
hieß es schließlich, „sowie im Hinblick darauf, daß mit der weiteren Entwicklung
der Reichsinstitutionen sich immer mehr das Bedürfnis ergeben wird, in den
Reichsbehörden auf die Mitwirkung von reichsrichterlichen Kräften zurückgreifen
zu können, hat der Entwurf Berlin als Sitz des Reichsgerichts in Vorschlag
gebracht.“2)
Der Justizausschuß, an welchen der Gesetzentwurf verwiesen wurde,
beantragte in seiner Mehrheit, dem preußischen Vorschlage gemäß, des Sitz des
Reichsgerichts nach Berlin zu verlegen. Das Plenum des Bundesrats entschied
dagegen in der Sitzung vom 28. Februar 1877 mit 30 gegen 28 Stimmen,
welche auf Berlin fielen, Leipzig zum Sitz des Reichsgerichts. Für Leipzig
stimmten zunächst Sachsen und die thüringischen Staaten, ferner Bayern, 3)
1) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt.
2) Die „Nordd. Allg. Ztg.“ trat kräftig für Berlin und gegen Leipzig ein (Nr. 31
v. 4. 2. 77). Motive des Gesetzentwurfs s. „Nat.-Ztg.“ Nr. 63 v. 7. 2. 77 und „Prov.=
Korresp.“ Nr. 6 v. 7. 2. 77.
3) Eine der „National-Zeitung“ aus München anfangs April 1877 zugegangene
Korrespondenz bemerkte: „Es ist immerhin bemerkenswert, daß zum erstenmal seit 1871