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vor Entscheidung der Frage, ob ein oberstes Landesgericht in Sachsen zu
errichten sei, die Ansichten der Landesvertretung einholen zu können. Da sie
selbst jedoch, wie bereits von dem Königlich sächsischen Justizminister bei der
ersten Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfs im Reichstag erklärt worden ist,
das Bestehen eines obersten Landesgerichts im Königreich Sachsen neben einem
in Leipzig zu errichtenden Reichsgericht für unzuträglich erachtet, so stimmt sie
dem Entwurfe in der vom Reichstag beschlossenen Fassung zu.“
Die „Provinzial-Correspondenz“ bemerkte zu vorstehendem Ausgang: „Das
Reichsgericht erhält seinen Sitz in Leipzig: so ist nunmehr im Bundesrat unter
Genehmigung des Zusatzantrags des Reichstags mit Einstimmigkeit beschlossen
und somit die Frage durch Uebereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse des
Bundesrats und des Reichstags endgültig entschieden. Vor dieser Entscheidung
der gesetzgebenden Gewalten des Reichs treten selbstverständlich alle Bedenken
zurück, welche während der Erörterung der Frage geltend gemacht worden sind.
An die Stelle aller vorherigen Zweifel tritt die Zuversicht, daß das nunmehr
in Leipzig zu errichtende oberste Gericht, durch welches die gemeinsamen Rechts-
institutionen des Deutschen Reichs gekrönt werden, eine Bürgschaft gerechter
nationaler Rechtsprechung und ein neuer Mittelpunkt des gemeinsamen nationalen
Geistes sein werde.“
Gesetz über den Sitz des Reichsgerichts vom 11. April 1877 (Reichs-
Gesetzbl. S. 415).
Gesetzentwurf, betreffend die Kosten im Zivilprozeß= und
Konkursverfahren. Der Justizausschuß des Bundesrats stellte einen Antrag
dahin, das Kostenwesen im Zivilprozeß.= und im Konkursverfahren durch Vor-
legung von Gesetzentwürfen zu regeln. In der Sitzung des Bundesrats vom
28. September 1876 beschloß derselbe, dem Reichskanzler-Amt anheim-
zustellen, einen Gesetzentwurf über die Kosten des Zivilprozesses sowie des mit
der Konkursordnung verbundenen Kostenwesens aufzustellen. Der bayerische
Bevollmächtigte erklärte namens seiner Regierung die Zustimmung zu dem
Antrage unter der Voraussetzung, daß der fragliche Gesetzentwurf sich auf die
Aufstellung eines einheitlichen Systems und allgemeiner Grundsätze zu beschränken
und in der Ausführung den Landesregierungen behufs entsprechender Berück-
sichtigung der finanziellen und sonstigen besonderen Verhältnisse den einzelnen
Bundesstaaten möglichst freie Bewegung zu lassen habe. Die Einbringung
des Gerichtskostengesetzes in den Bundesrat zog sich bis in den März 1878
hinaus.
Notgesetz über den Zeugniszwang. Die durch den Fall Kantecki
angeregten Erwägungen fanden bekanntlich im Reichstag ihre Erledigung durch
Annahme des Antrags Becker-Lasker, welcher die auf den Zeugniszwang