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generellen Revision des gesamten Handelsgesellschaftsrechts ein Zwischengesetz
erlassen werde, welches eine Wiederkehr der Ausschreitungen bei der Gründung,
der Verwaltung und dem geschäftlichen Betriebe von Aktienunternehmungen thun-
lichst entgegenzuwirken geeignet erscheint.“ — „Diejenigen Punkte, auf welchen
sich eine so gehaltene Reform vorzugsweise zu erstrecken haben möchte, sind in
einer beigefügten Denkschrift zusammengestellt. Selbstverständlich soll dadurch
weiteren Erwägungen nicht vorgegriffen werden. Auf eine genauere Feststellung
der angeregten Punkte hat für jetzt verzichtet werden müssen. Aus Anlaß der
im Jahre 1873 gegebenen Anregung sind dem Reichskanzler auch seitens anderer
Bundesregierungen ausführliche Aeußerungen zugegangen, welche in Betracht
gezogen werden müssen, ehe die aufgeworfenen Fragen zum Abschluß gebracht
und zu formulirten Gesetzbestimmungen gestaltet werden können. Vorläufig kam
es darauf an, aus dem seitens der preußischen Regierung gesammelten Material
bestimmte Gesichtspunkte abzuleiten und für die weiteren Beratungen als
beachtenswert zu bezeichnen.“
Die vereinigten Bundesratsausschüsse für Handel und Verkehr und Justiz-
wesen beschlossen: Den Reichskanzler zu ersuchen, den Entwurf eines Gesetzes
ausarbeiten und vorlegen zu lassen, welches unabhängig von der Revision des
Handelsgesetzbuchs und unbeschadet der mit dieser demnächst zu verbindenden
generellen Revision des gesamten Handelsgesellschaftsrechts, den Ausschreitungen
bei der Gründung, der Verwaltung und dem geschäftlichen Betriebe der Aktien-
unternehmungen entgegenzuwirken geeignet ist. — Der Bericht enthielt manche
interessante Einblicke in die Verhandlungen der Ausschüsse; so stützte sich die
Majorität auf folgende Gesichtspunkte:
Man könne nicht anerkennen, daß die jetzige Aktiengesetzgebung dem Haupt-
bestandteile nach aus kautelarischen Vorschriften bestehe; den Hauptbestandteil
bildeten vielmehr die über Entstehung, Organisation, Verwaltung u. s. w. der
Gesellschaften auf jeden Fall notwendigen Bestimmungen. Insofern handle es
sich auch nicht gerade um eine Vermehrung der Kautelen. Eine eigentliche
Notlage sei freilich nicht vorhanden und unter dem Eindruck einer solchen solle
auch kein neues Gesetz erlassen werden. Die schlimme Periode sei vielmehr
überstanden und man habe deren Erfahrungen hinter sich. Diese Erfahrungen
könne man jetzt benutzen, und der Zeitpunkt sei für die Erlassung eines neuen
Gesetzes gerade recht günstig, indem man jetzt in ganz unbefangener Würdigung
der Zustände gegen die in Zukunft möglichen Mißbräuche Vorkehrungen treffen
könne. Eine Periode des lebhafteren Treibens auf dem Gebiete der materiellen
Interessen könne wiederkehren. Die Industrie müsse sich notwendig wieder
heben, und auf das jetzige Stadium der Erschlaffung werde ganz naturgemäß
wieder ein Stadium der Erregung folgen. Dann könnten sich die gemachten
schlimmen Erfahrungen rücksichtlich der Aktiengesellschaften wiederholen. Hätten
die Regierungen alsdann die rahige Zwischenzeit nicht benutzt und die Gesetz-