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4. Reichstag.
Diäten der Abgeordneten. Der Antrag des Reichstags auf Ge—
währung von Diäten an die Mitglieder war im Bundesrat dem Ausschuß für
die Verfassung überwiesen worden, der, wie auch schon früher, den damaligen
badischen Justizchef v. Freydorf zum Referenten bestellt hatte. Von diesem war
die Sache bei seinem Rücktritt an den Präsidenten des Reichskanzler-Amts
zurückgegeben worden. Auf den Vorschlag des letzteren nahm der Bundesrat
von einer nochmaligen Vorberatung im Ausschusse Abstand und beschloß ohne
eine solche, an seinem früheren Standpunkt festhaltend, in der Sitzung vom
2. November 1876 Ablehnung des Antrags.!)
5. Zoll- und Handelswesen.
Auf dem Gebiete der Handelspolitik herrschte auch noch in der sechsten
Session des Bundesrats die größte Unentschlossenheit. Die Industrie verlangte
gebieterisch einen wirtschaftlichen Umschwung, die Geheimräte waren, nachdem
sie einsahen, daß sie den bisherigen extremen Freihandel nicht mehr aufrecht
halten könnten, zu halben Maßregeln bereit; in dem Bundesrat hatten die
Doktrinäre noch ein bedenkliches Uebergewicht; ohne alle Initiative ließ er sich
von den Geheimräten schieben; denn noch hatten dieselben, solange Bismarck
nicht mit mächtiger Faust in die Bewegung griff, das große Wort zu sprechen.
Im einzelnen ist folgendes zu bemerken:
Aufrechthaltung der Eisenzölle. Eine von der „Rh.-R.-Ztg."
angeregte Massenkundgebung für Aufrechthaltung der Eisenzölle fand in folgender
Petition beredten Ausdruck:
„An Se. Durchlaucht den Herrn Reichskanzler Fürsten v. Bismarck
zu Berlin.
Unter den mannigfachen Industriezweigen, denen unsere Kreise Duisburg
und Mülheim a. d. Ruhr ihren bisherigen Wohlstand verdanken, nimmt die
Eisenindustrie eine ganz hervorragende Stellung ein. Sie ernährt viele Tausende
von Arbeitern und Arbeiterfamilien, sie beschäftigt viele andere Handels= und
Gewerbszweige; der Bergbau, namentlich der Kohlenbergbau, ist mit ihr aufs
innigste verknüpft, und der Wohlstand unserer ganzen Gegend, sowohl der
städtischen als der ländlichen Bezirke, ist durch sie wesentlich mitbedingt.
Die Lage unserer Eisenindustrie ist nun aber gegenwärtig eine überaus
traurige. Manche Etablissements sind ganz, manche teilweise geschlossen. Viele
1) Bundesratsbeschluß bezüglich des Umbaus des Reichstagsgebäudes s. „Nordd. Allg.
Ztg.“ Nr. 142 v. 20. 6. 77, „Nat.-Ztg.“ Nr. 264 v. 9. 6. 77 und Nr. 280 v. 19. 6.77.
Bundesratsverhandlungen in Betreff des Gesetzentwurfs wegen Abänderung mehrerer Reichs-
tagswahlkreise „Nat.-Ztg.“ Nr. 554 v. 27. 11. 76.