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10. Reichsfinanzen.
Stempelsteuer und Erbschaftssteuer. Am 7. Juni 1877 legte
der Reichskanzler (in Vertretung Hofmann) dem Bundesrat den Antrag
Preußens wegen Berufung einer Kommission zur Vorbereitung von Gesetz-
entwürfen über eine für Rechnung des Reichs zu erhebende Stempel= und
Erbschaftssteuer 1) (d. d. 4. Juni 1877) vor.
Der Antrag rief in bundesrätlichen Kreisen eingehende Erörterungen hervor,
welche es sehr fraglich erscheinen ließen, ob der Bundesrat dem Projekt über-
haupt weiter Folge geben werde. Nach der Stimmung daselbst zu urteilen,
ging der Widerspruch gegen dasselbe nicht allein von den Hansestädten und
Elsaß-Lothringen, als den zumeist durch Uebernahme der mehrfach erwähnten
Stempelsteuern auf das Reich benachteiligten Staaten aus, sondern es hätte
derselbe auch noch an einem süddeutschen Staate eine Stütze gefunden. Im
übrigen fehlt es nicht an Stimmen, welche die ganze Maßregel für verfrüht
erachteten, weil dieselbe nach jener Ansicht in untrennbarem Zusammenhange
mit dem Gesetze über die Gerichtskosten stände. Die Träger dieser Ansicht
versuchten, obgleich erfolglos, eine Vertagung der ganzen Frage herbei-
zuführen.
Der Antrag der Bundesratsausschüsse für Zoll= und Steuerwesen, für
Handel und Verkehr und für Rechnungswesen ging dahin: „Der Bundesrat
wolle beschließen: 1. daß zur Erörterung der Frage, ob und in welchem Umfang
für Rechnung der Reichskasse eine Stempelsteuer und eine Erbschaftssteuer an
Stelle der gleichartigen Abgaben der Bundesstaaten zu erheben seien, sowie
eventuell zur Vorbereitung bezüglicher Gesetzentwürfe eine Kommission von
auszuführenden Bauten beizusteuern haben. Wenn schon diesen und ähnlichen Zahlen-
verhältnissen an sich eine entscheidende Bedeutung für die Beteiligung an den Kosten nicht
beigelegt werden will, so können sie doch nicht unbeachtet bleiben und werden jedenfalls
geeignet sein, die Billigkeitsgründe zu unterstützen, welche für den Ersatz des auf rund
1880000 Mark berechneten, in der fraglichen Periode von Baden gemachten Aufwands
sprechen. Es wird daher, unter Bezugnahme auf den in der Sitzung des Bundesrats
vom 3. März d. J. geltend gemachten Vorbehalt, beantragt: der Bundesrat wolle dahin
Beschluß fassen, daß der Ersatz von 1884 351 Mark an Baden für seit dem 1. Januar 1867
aus Landesmitteln bestrittene Kasernementsanlagen unter den gleichen Bedingungen wie
der für Königreich Sachsen und für Württemberg bestimmte Ersatz in den Gesetzentwurf,
betreffend die Aufnahme einer Anleihe zur Durchführung der allgemeinen Kasernirung des
Reichsheeres, nachträglich ausgenommen oder im Nachtrag zu diesem Gesetzentwurf zur
gesetzlichen Anerkennung gelange.“ — Uebersicht der Ergebnisse des Heeresergänzungsgeschäfts
pro 1875 s. „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 232 v. 4. 10. 76.
1) In Kohls Bismarck-Regesten unerwähnt. Abgedruckt findet sich das Schreiben in
der S. 144 Note citirten Quelle. Bemerkungen darüber in der „Nordd. Allg. Ztg.“
Nr. 136 v. 13. 6. 77. Begleitet war der preußische Antrag von einer Denkschrift, aus
der ein Abschnitt in der „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 191 v. 16. 8. 77 abgedruckt ist.