Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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22. Dezember 1876 — ist die Sicherheit gegeben, daß in naher Zukunft die 
Rechtspflege in ganz Deutschland nach gleichen Normen gehandhabt, daß vor 
allen deutschen Gerichten nach denselben Vorschriften verfahren werden wird. 
Wir sind dadurch dem Ziel der nationalen Rechtseinheit wesentlich näher gerückt. 
Die gemeinsame Rechtsentwicklung aber wird in der Nation das Bewußtsein 
der Zusammengehörigkeit stärken und der politischen Einheit Deutschlands 
einen inneren Halt geben, wie ihn keine frühere Periode unserer Geschichte 
aufweist.“ 
Man erinnert sich, welche starken Anfeindungen es dem hessischen Bevoll- 
mächtigten zum Bundesrat eingetragen hatte, als derselbe am 28. Mai 1869 
im Reichstag gewagt hatte, in einer ziemlich gleichgiltigen Frage die von der 
preußischen Regierung vertretene Ansicht zu bekämpfen. 1) In der jetzigen Session 
wechselten die Rollen.“ 
Preußen bekämpfte im Reichstag den Beschluß der Moajorität des Bundes- 
rats, in der politisch allerdings bedeutsamen Frage des Sitzes des Reichsgerichts. 
Die centripedalen Kräfte im Bundesrat waren für Berlin eingetreten, die 
centrifugalen für Leipzig, das schließlich siegte. Die offiziöse Berliner Presse 
ließ — im schroffen Gegensatz zu der überaus staatsmännischen Haltung Bis- 
marcks in dieser Frage — Kassandrarufe erschallen, als ob in der That das 
Reich Gefahr liefe, zu zerbröckeln, und das Wort „Reichsfeinde“ ertönte in den 
verschiedenen Spielarten. Nicht unzutreffend bemerkte mit Bezug hierauf die 
„Coburger Zeitung“: „Gewiß kann man darüber, ob Berlin oder Leipzig 
zweckmäßiger sei, verschiedener Ansicht sein, wohl aber ist anzunehmen, daß 
hüben und drüben in den maßgebenden Kreisen einzig und allein sachliche 
Gründe entscheiden. Die Zeiten der Bundestagsmisére sind glücklicherweise 
vorüber; es handelt sich im neuen Deutschen Reich weder um Koalitionen 
gegen Preußen, noch um den thörichten Wunsch, Preußen majorisiren zu wollen. 
Wenn dergleichen überhaupt ein Anachronismus ist, so sollten mindestens Staaten, 
deren nationale Gesinnung durch ihre politische Vergangenheit zweifellos dasteht, 
vor unwürdigen Verdächtigungen geschützt sein. Was speziell die coburg-gothaische 
Stimme betrifft, so kann versichert werden, daß im Gegenteil gerade nationale 
Erwägungen die Herzogliche Staatsregierung bei ihrer Abstimmung geleitet 
haben.“ 
In wirtschaftlicher Beziehung bot unsere Session keine Lichtblicke 
dar. Die Hauptströmung in der Regierung wie im Bundesrat gab die Parole 
aus: Festhalten an dem bisherigen Freihandelssystem unter möglichst gering- 
fügigen Konzessionen an die unter der herrschenden Not erstarkende Gegen- 
partei. Dem ensprechend sanktionirte der Bundesrat den Wegfall der Eisenzölle, 
und er votirte zweimal ein Gesetz über die Einführung von Ausgleichungs- 
1) ef. Bd. II. S. 44.
	        
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