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Wollte man eine andere Auffassung Platz greifen lassen, so könnten die Be—
ratungen der verschiedenen Ausschüsse des Bundesrats während der Nicht-
thätigkeit des Plenums nicht stattfinden.“
Kurze Zeit später kam das offiziöse Blatt auf die Frage zurück, indem
es ausführte: 1) „Abschnitt IV. der Verfassung des Deutschen Reichs bestimmt
in Art. 13: „Die Berufung des Bundesrats und des Reichstags findet all-
jährlich statt und kann der Bundesrat zur Vorbereitung der Arbeiten ohne den
Reichstag, letzterer aber nicht ohne den Bundesrat berufen werden“. Auf Grund
dieser Bestimmung, welche nach ihrer Fassung dem Bundesrate nicht in dem
Sinne wie dem Reichstage eine bestimmte, in sich abgeschlossene Arbeitsperiode
zuweist, ist auch in diesem Jahre der Bundesrat berufen. Derselbe kann in
die Beratungen über die dem Reichstag zu unterbreitenden Vorlagen erst dann
fortlaufend eintreten, wenn die durch Artikel 8 vorgeschriebenen Ausschüsse die
Arbeiten vorbereitet haben. Die Zusammensetzung dieser Ausschüsse ist aber
nach dem erwähnten Artikel 8 für jede Session des Bundesrats zu erneuern.
Diesen Festsetzungen gegenüber ist die Annahme unzutreffend, daß der Bundesrat
sofort und unausgesetzt in Aktivität sein muß.“
Meines Erachtens ist die letzte Auffassung nicht richtig. Wir werden später
auf diese Frage zurückkommen. )
Bald nachdem die Reichskanzlerkrisis im letzten Frühjahr (10. April 1877)
ihren Abschluß gefunden hatte, begab sich Bismarck nach Friedrichsruh, Kissingen,
Gastein und demnächst (25. Oktober) nach Varzin, von wo er erst am
14. Februar 1878 nach Berlin zurückkehrte. Den Kombinationen über die
weiteren Absichten Bismarcks war bei dieser langen Abwesenheit desselben von
Berlin ein weites Thor geöffnet. In einem im Dezember 1877 erschienenen
A0rtikel 3) war an alle öffentlichen und privaten Aeußerungen erinnert, mit
welchen Bismarck vor sechs Monaten seine Demission motivirt hatte. „Man
erinnerte sich sofort seiner Erklärung, daß „das Zerren und Schieben mit den
einzelstaatlichen Regierungen ihn zu Grunde gerichtet habe und er dessen müde
seit; „die Reichsflut sei rücksteigend und hemme ihn mehr und mehr in seiner
Bewegung“ und dergleichen mehr. Das gute Gedächtnis eines Gastes des
Fürsten auf einer seiner Soiréen frischte daneben das Bild von dem Herum-
streichen auf Kartoffelfeldern, von der Sauhatz auf, zu der ihm die Genossen
fehlten. Da gab es, und nicht bloß für die Phantasie, reichlichen Stoff zur
Ausfüllung des skizzirten Bildes. Die Moral der Fabel wurde allgemein dahin
1) Nr. 253 v. 26. 10. 77.
2) Ueber die waldecksche Stimme im Bundesrat nach Erneuerung des Vertrags
wegen Fortführung der Verwaltung der Fürstentümer Waldeck und Pyrmont durch Preußen
vgl. die Aeußerungen des Ministers v. Bülow, abgedruckt in der „Prov.-Korresp.“ Nr. 52
v. 27. 12. 77.
3) Als den Verfasser mutmaße ich G. F. Beutner.