Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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Zeitpunkt, da Bismarck von dem Finanzminister die Ergreifung einer Initiative 
verlangte und mit seinem eigenen Rücktritt drohte, falls er nicht zum Ziele 
gelangen sollte. Man wird von dem Verhältnisse, welches zwischen den 
beiden Staatsmännern herrschte, kein besseres Bild geben können, als wenn 
man dem Leser nachstehend die Korrespondenz unterbreitet, welche damals 
zwischen Bismarck und dem Staatsminister v. Bülow über Camphausen ge- 
führt wurde. 
In einem Schreiben Bismarcks, d. d. Varzin, 21. Dezember 1877, heißt 
es: „Der kritische Punkt der Gegenwart ist die Frage des Finanzprogramms. 
Da ist es eine vollständige Umkehr der Begriffe, wenn der Finanzminister von 
dem Präsidenten ein Programm für das Finanzressort erwartet, nach dessen 
Prüfung er sich die Kritik vorbehalten will; umgekehrt liegt die positive Leistung, 
die Herstellung eines diskutirbaren Programms, dem Ressortminister ob. Ich 
bin als Präsident nicht berufen, Finanzprogramme zu erfinden oder zu ver- 
treten, sondern nur dafür verantwortlich, daß der Posten des Finanzministers 
in einer der Gesamtpolitik des Ministeriums entsprechenden Weise besetzt sei und 
versehen werde. Der Beruf, Finanzprogramme selbst zu entwerfen, und auf 
ihre Ausführung zu verzichten oder zurückzutreten, wenn der Finanzminister 
ihnen nicht zustimmt, liegt mir nicht ob. 
„Ich glaube, wenn Camphausen zugibt, daß wir fünfzig Millionen Mark 
mehr brauchen, wie ich glaube, auch wohl hundert, was indessen nur er sachlich 
und amtlich beurteilen kann — so kann er darüber nicht zweifelhaft sein, daß 
es seine Aufgabe und nicht meine ist, ein Finanzreformprogramm vorzulegen 
und dasselbe verantwortlich zu vertreten; daß ich ihm dabei, wenn ich gesund 
bin, nach Kräften assistiren werde, ist selbstverständlich, und um so mehr, wenn 
ich ihn etwa bei kollegialischer Verhandlung über seine Absichten zu Modifi- 
kationen seiner Vorschläge bewogen hätte. Sobald ich seine Reformpläne 
kenne, wird mein Votum über dieselben von dem Entgegenkommen geleitet 
sein, welches seine Sachkunde und mein kollegialisches Gefühl bedingen. Wenn 
aber ein solches Programm gar nicht oder nicht rechtzeitig zur Vorlage kommen 
sollte, so werde ich entweder den Ablauf meines Urlaubs ohne Beteiligung am 
Reichstag abwarten, oder mich vor dem Reichstag unter Darlegung meiner 
vorstehenden Auffassungen auf die Rolle beschränken, die Art. 70 1) dem Reichs- 
kanzler zuweist.“ 
Diese Sprache verfehlte nicht ihre Wirkung. Camphausen sagte bedingungs- 
los zu, ein Finanzprogramm zur Vorlage und zur Diskussion zu bringen. 
Verständigung darüber und namentlich Durchbringen beim Reichstag würden 
immerhin schwierig sein, er wollte aber das Beste hoffen und nahm Bismarcks 
  
1) Der Art. 70 der Reichsverfassung bestimmt, daß die Ausgaben des Reichs event. 
mittelst Matrikularbeiträge zu decken sind.
	        
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