Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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3. Eisenbahnwesen. Das Reichs-Eisenbahnprojekt lag Bismarck nach 
wie vor so sehr am Herzen, daß er, wie in Bezug auf die Steuerfrage, mit 
seinem Rücktritt drohte, falls der Minister Camphausen ihn bei seinen desfallsigen 
Bestrebungen nicht fördern wollte. 1) 
In einem Schreiben Bismarcks, d. d. Varzin, 15. Dezember 1877, heißt 
es: „Neben der Steuerreform und der Fertigstellung der im militärischen In- 
teresse erforderlichen Eisenbahnen gehört die Verwirklichung der Reichsverfassung 
bezüglich des Eisenbahnwesens zu denjenigen Fragen, von deren Lösung ich 
meinen dauernden Wiedereintritt in die Geschäfte abhängig mache. Wenn die 
Ausführung des auf diesen Gebieten für notwendig Erkannten nicht durch aus- 
reichende und spontane Mitwirkung aller in Preußen dazu kompetenten Organe 
sicher gestellt werden kann, so werde ich zwar, wenn meine Gesundheit irgend 
gestattet, zum nächsten Reichstag erscheinen, aber nur um die Gründe meines 
definitiven Rücktritts öffentlich darlegen zu können. Ich werde nicht verschweigen 
können, daß ich keine Aussicht zu haben glaube, für die Behandlung der oben 
erwähnten Fragen in Preußen das Maß freiwilliger Mitwirkung zu finden, 
ohne welches ihre Lösung nicht möglich ist, und daß ich deshalb bei geschwächten 
Kräften die fernere Mitarbeit an den Geschäften ablehne, weil ich mich un- 
vermögend fühle, sie bezüglich wichtigerer Fragen in die Wege zu leiten, auf 
denen ich die Verantwortlichkeit für die Gesamtleitung zu tragen bereit wäre. 
— Die Hauptsache für mich ist, daß ich im Staatsministerium Kollegen finde, 
welche die Maßregeln, die für die Sicherheit und die Interessen Preußens und 
des Reichs notwendig sind, energisch und freiwillig fördern. Diese Förderung 
durch Bitten und Ueberreden zu gewinnen, dazu reichen meine Kräfte nicht 
aus, und wenn ich Beschlüsse in dem erstrebten Sinne erreiche, so unterbleibt 
die Ausführung. Mit meinem Namen aber für das Gegenteil meiner Be- 
strebungen öffentlich einzustehen, kann von mir nicht verlangt werden.“ 
Der große Gedanke des Reichs-Eisenbahnprojekts wollte aber nicht von der 
Stelle rücken. In Betreff der Hinderungen, die demselben in Preußen erwuchsen, 
erfahren wir das Nähere aus der Herrenhausrede Bismarcks vom 17. Februar 
1881. Er habe — so bemerkte er hier — das gedachte Projekt zurückstellen 
müssen, da der Finanzminister für die preußischen Bahnen einen Preis berechnet 
habe, den er (Bismarck) wegen der Ungeheuerlichkeit des Anschlags nicht als 
einen ernstlichen anzusehen vermochte. Und am 23. März 1878 bemerkte er im 
Abgeordnetenhause:?) „Der bisherige Finanzminister war nicht von Hause aus 
von der Richtigkeit überzeugt; nachdem wir im Prinzip die Zustimmung dazu 
erhielten, ist es uns gelungen, die Zustimmung beider Häuser des preußischen 
1) Ludolf Parisius bemerkt in seinem Werke: „Deutschlands politische Parteien“, 
Camphausen sei jedem seiner Räte als ein Gegner des Reichs-Eisenbahnprojekts bekannt 
gewesen. 
2) Kohl, Bismarckreden Bd. VII, S. 214.
	        
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