Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

— 361 — 
Damals sprach allerdings der Ministerpräsident über den neben ihm sitzenden 
Kollegen, den sich zu erhalten er noch immer für wünschenswert erachtete, und der 
durch seine eigenen Enthüllungen über die Stellung zum Tabakmonopol dem 
Parlamente gegenüber in eine etwas schiefe Stellung gekommen war. 1) 
Nachdem Camphausen, und zwar freiwillig, 2) das Feld geräumt hatte, 
lautete das Urteil Bismarcks über denselben bereits kritischer. Bei Gelegenheit 
einer parlamentarischen Soirée vom 6. April 1878 bemerkte Bismarck, er habe 
Camphausen nicht zum Vizekanzler machen können, da derselbe zu wenig 
„europäisch" gemodelt sei, 38) und ein paar Tage später meinte Bismarck, 
während der Zeit des Zwiespalts mit sich selbst noch abgeschlossener wurde, konnte sie zu 
ihm nicht zurückführen. Nun rief Fürst Bismarck einen Führer der nationalliberalen Parlei 
zu sich, um sich mit ihm über die Zukunft zu beraten. Bennigsen folgte der Pflicht, nicht 
dem eigenen Triebe. Anstatt daß Camphausen nun gegen den Berufer der Varziner Ver- 
handlungen sich gewendet hätte, wandte er sich gegen den Gerufenen und warf diesem vor, 
derselbe wolle sich auf seinen Stuhl setzen. Das Verhalten in der Frage des Tabak- 
monopols that das übrige. An einem Tage sprach der Finanzminister gegen das Monopol, 
und am andern bewies er, daß er schon seit Jahr und Tag auf dasselbe hingearbeitet 
hatte. Das Parlament mußte sich entschieden gegen eine solche Behandlung aussprechen; 
ein Minister, der sich immer so konstitutionell ausgesprochen und gezeigt hatte, konnte es 
nun natürlich nicht mit seinen Grundsätzen vereinbaren, länger in der hohen Stelle zu 
bleiben, die er lange mit so viel Geschick ausgefüllt hatte. Dies war alles die 
natürliche Folge der Konzession an die mächtige. Persönlichkeit, neben welcher sich andere selbst- 
ständige (bezw. überaus selbstbewußte) Kräfte schwer lange behaupten können.“ 
1) Bemerkungen über das Entlassungsgesuch Camphausens in der „Post“ Nr. 61 
v. 3. 3. 78. Es ist hier die Rede von langen Gesprächen Bismarcks mit dem Kaiser über 
Camphausens Entlassungsgesuch. Camphausen habe das Entlassungsgesuch dem König 
persönlich überreicht, da Bismarck nicht zu bewegen war, in dieser für ihn peinlichen An- 
gelegenheit amtlich beteiligt zu sein. 
2) In den „Hamb. Nachr.“ Nr. 305 v. 24. 12. 1891 ließ Bismarck verkünden: 
„An dem Rücktritte dieses Ministers war Fürst Bismarck vollständig unbeteiligt. Herr 
Camphausen ist infolge des peinlichen Eindrucks zurückgetreten, den die Debatten der letzten 
erheblicheren Reichstagssitzungen, in denen er das Wort ergriffen hatte, auf ihn gemacht 
hatten. Er hat vollständig aus eigenem Antriebe demissionirt, ohne irgend welche Nötigung, 
weder von höchster noch von kanzlerischer Seite. Er nannte die Reichstagsverhandlung, der 
er beigewohnt hatte, in seiner ersten Erregung eine „Abschlachtung“ und erklärte seinen 
Kollegen, er wolle sich einer solchen nicht abermals aussetzen. Die „Abschlachtung“ ging 
aber von der Opposition im Reichstage und keineswegs von den Kollegen des Herrn 
Camphausen aus.“ Aehnlich lautete eine Aeußerung in den „Hamb. Nachr.“ v. 28. 6. 96: 
„Wenn angenommen wird, daß der Fürst mit Camphausen als Minister wiederholt hart 
an einander geraten sei und diesen dadurch zum Abschied bewogen habe, so ist das un- 
zutreffend. Der Grund des Rücktritts Camphausens war der, daß er von den National- 
liberalen im Reichstage so feindlich angegriffen wurde, daß er sich schließlich der Thränen 
nicht erwehrte. Auch dann noch hat Fürst Bismarck ihn nur ermutigt und seine eigenen 
Entschlüsse infolge dieser „Abschlachtung“, wie Camphausen es selbst nannte, abgewartet, 
ohne sie zu fördern.“ 
3) Vgl. „Fürst Bismarck und die Parlamentarier“ Bd. I. (2. Aufl.) S. 143.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.