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Damals sprach allerdings der Ministerpräsident über den neben ihm sitzenden
Kollegen, den sich zu erhalten er noch immer für wünschenswert erachtete, und der
durch seine eigenen Enthüllungen über die Stellung zum Tabakmonopol dem
Parlamente gegenüber in eine etwas schiefe Stellung gekommen war. 1)
Nachdem Camphausen, und zwar freiwillig, 2) das Feld geräumt hatte,
lautete das Urteil Bismarcks über denselben bereits kritischer. Bei Gelegenheit
einer parlamentarischen Soirée vom 6. April 1878 bemerkte Bismarck, er habe
Camphausen nicht zum Vizekanzler machen können, da derselbe zu wenig
„europäisch" gemodelt sei, 38) und ein paar Tage später meinte Bismarck,
während der Zeit des Zwiespalts mit sich selbst noch abgeschlossener wurde, konnte sie zu
ihm nicht zurückführen. Nun rief Fürst Bismarck einen Führer der nationalliberalen Parlei
zu sich, um sich mit ihm über die Zukunft zu beraten. Bennigsen folgte der Pflicht, nicht
dem eigenen Triebe. Anstatt daß Camphausen nun gegen den Berufer der Varziner Ver-
handlungen sich gewendet hätte, wandte er sich gegen den Gerufenen und warf diesem vor,
derselbe wolle sich auf seinen Stuhl setzen. Das Verhalten in der Frage des Tabak-
monopols that das übrige. An einem Tage sprach der Finanzminister gegen das Monopol,
und am andern bewies er, daß er schon seit Jahr und Tag auf dasselbe hingearbeitet
hatte. Das Parlament mußte sich entschieden gegen eine solche Behandlung aussprechen;
ein Minister, der sich immer so konstitutionell ausgesprochen und gezeigt hatte, konnte es
nun natürlich nicht mit seinen Grundsätzen vereinbaren, länger in der hohen Stelle zu
bleiben, die er lange mit so viel Geschick ausgefüllt hatte. Dies war alles die
natürliche Folge der Konzession an die mächtige. Persönlichkeit, neben welcher sich andere selbst-
ständige (bezw. überaus selbstbewußte) Kräfte schwer lange behaupten können.“
1) Bemerkungen über das Entlassungsgesuch Camphausens in der „Post“ Nr. 61
v. 3. 3. 78. Es ist hier die Rede von langen Gesprächen Bismarcks mit dem Kaiser über
Camphausens Entlassungsgesuch. Camphausen habe das Entlassungsgesuch dem König
persönlich überreicht, da Bismarck nicht zu bewegen war, in dieser für ihn peinlichen An-
gelegenheit amtlich beteiligt zu sein.
2) In den „Hamb. Nachr.“ Nr. 305 v. 24. 12. 1891 ließ Bismarck verkünden:
„An dem Rücktritte dieses Ministers war Fürst Bismarck vollständig unbeteiligt. Herr
Camphausen ist infolge des peinlichen Eindrucks zurückgetreten, den die Debatten der letzten
erheblicheren Reichstagssitzungen, in denen er das Wort ergriffen hatte, auf ihn gemacht
hatten. Er hat vollständig aus eigenem Antriebe demissionirt, ohne irgend welche Nötigung,
weder von höchster noch von kanzlerischer Seite. Er nannte die Reichstagsverhandlung, der
er beigewohnt hatte, in seiner ersten Erregung eine „Abschlachtung“ und erklärte seinen
Kollegen, er wolle sich einer solchen nicht abermals aussetzen. Die „Abschlachtung“ ging
aber von der Opposition im Reichstage und keineswegs von den Kollegen des Herrn
Camphausen aus.“ Aehnlich lautete eine Aeußerung in den „Hamb. Nachr.“ v. 28. 6. 96:
„Wenn angenommen wird, daß der Fürst mit Camphausen als Minister wiederholt hart
an einander geraten sei und diesen dadurch zum Abschied bewogen habe, so ist das un-
zutreffend. Der Grund des Rücktritts Camphausens war der, daß er von den National-
liberalen im Reichstage so feindlich angegriffen wurde, daß er sich schließlich der Thränen
nicht erwehrte. Auch dann noch hat Fürst Bismarck ihn nur ermutigt und seine eigenen
Entschlüsse infolge dieser „Abschlachtung“, wie Camphausen es selbst nannte, abgewartet,
ohne sie zu fördern.“
3) Vgl. „Fürst Bismarck und die Parlamentarier“ Bd. I. (2. Aufl.) S. 143.