Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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Camphausen, so ist dies doch nicht sein letztes Wort über ihn, das zu einem ab- 
schließenden Urteil berechtigte. Bei Würdigung der betreffenden Rede muß man 
sich vor Augen halten, daß der Kanzler nicht wenig überrascht war, als er 
ganz unerwartet seine Kreise durch den ehemaligen Kollegen gestört sah. 
Die glänzende Seite der Camphausenschen Verwaltung, die ihm stets zur 
Ehre gereichen wird, lag überhaupt nicht im Reich, sondern in Preußen. Aber 
auch im Reich lassen sich ihr doch auch günstige Seiten abgewinnen. In der 
zweijährigen Periode, welche seinem Abschied vorausging, hatte er, soviel an 
ihm lag, in den drei oben erwähnten Steuerentwürfen dem Reiche eine Ge— 
samteinnahme von dreiundvierzig Millionen Mark zuführen wollen. Die Ab— 
lehnung der Entwürfe seitens des Reichstags erfolgte nicht aus inneren Gründen, 
sondern weil es im Parlament gärte, weil sich die Parteien neu entwickelten, 
und weil sich von den alten keine mehr zu tiefgehenden Bewilligungen an eine 
Regierung entschließen mochte, die selbst noch im Ringen nach neuen Bahnen 
begriffen war. 
Die Nekrologe Camphausens, die es versuchten, das Facit seiner staats- 
männischen Wirksamkeit zu ziehen, 1) haben zu dem Gesamtbild, wie es vor- 
stehend gezeichnet ist, keine neuen Momente beigetragen. 
Sehr eingehend ist das Verhältnis Bismarcks zu Camphausen geschildert 
in dem Werke Eugen Richters „Im alten Reichstag“" Bd. II. S. 5—8, 31, 
32, 39— 41, 43, 47—49. Neues hat derselbe aber nicht gebracht. Wenn 
Eugen Richter in dem Vorworte seines Werkes bemerkt, alle bisher erschienenen 
Darstellungen der parlamentarischen Kämpfe aus der von ihm geschilderten Zeit 
seien überaus einseitig und kritiklos, einzig und allein auf die Verherrlichung des 
Fürsten Bismarck zugeschnitten, so wird er nicht übel nehmen können, wenn ihm 
erwidert wird, daß seine Darstellung, so gerne ich sie sonst lese, ebenso einseitig 
auf eine Verherrlichung der Fortschrittspartei und seiner eigenen Bestrebungen 
hinausläuft. 
1) Zu vgl. „Münchn. Allg. Ztg.“ Nr. 138 v. 19. 5. 96, „Köln. Ztg.“ Nr. 459 
v. 18. 5. 96, „Nat.-Ztg.“ Nr. 322 v. 18. 5. 96, „Frankf. Ztg.“ Nr. 140 v. 20. 5. 96, 
„Berl. Tagebl.“ Nr. 255 v. 21. 5. 96, „Freisinn. Ztg.“ Nr. 118 v. 21. 5. 96, „Post"“ 
Nr. 136 v. 19. ö. 96, „Neue Stettiner Ztg.“ Nr. 233 v. 20. 5. 96, „Neue Fr. Presse“ 
Nr. 11420 v. 21. 5. 96. 
 
	        
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