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Eulenburg ist zu vermuten, daß er den Liberalen näher steht als Graf Caprivi.
Bei den hervorragendsten Vorkommnissen seines früheren Ministeriums hat er
sich auf der liberalen Seite des Conseils, wenn man sie so nennen kann,
befunden. Er hat nach dem Nobilingschen Attentate gegen die Auflösung des
Reichstags sentirt, für welche Frage damals im Ministerrat seitens des Kron—
prinzen als Stellvertreter seines verhinderten Vaters die Entscheidung getroffen
wurde. Im zweiten Falle, der das Ausscheiden des Grafen zur Folge hatte,
war sein Standpunkt auch der liberalere. Der Ministerpräsident hatte an dem
Königlichen Rechte der Beaufsichtigung der Landräte und Gemeinden festgehalten,
Graf Eulenburg sie gewählten Vertretern übertragen wollen. Wir lassen die
Richtigkeit der einen oder andern Ansicht hier unerörtet, jedenfalls geht daraus
hervor, daß der Konservatismus des Grafen Eulenburg nicht bis zu der Linie
reicht, die damals Fürst Bismarck vertreten hat, und man kann von dem neuen
Ministerpräsidenten wie früher einen moderirenden Einfluß auf den Konser—
vatismus erwarten.
Finanzminister Hobrechtt)
(geb. 14. August 1824)
wurde Ende 1860 von dem Grafen Schwerin als Hilfsarbeiter in das
Ministerium des Innern berufen und mit der Ausarbeitung des Entwurfs
eines Gesetzes über die ländliche Polizeiverwaltung (Aufhebung der bisher
gutsherrlichen Polizei) beauftragt. Als ein Jahr später v. Winter die Ver-
waltung des Berliner Polizeipräsidiums übernahm, ging auch die weitere
Bearbeitung der von letzterem entworfenen Kreisordnung für die östlichen
Provinzen auf Hobrecht über. Die neue Kreis= und Polizeiordnung fand, ebenso
wie die von dem Ministerium betriebene Neuregelung der Grundsteuer, im
Herrenhause den lebhaftesten Widerstand, der sich um so stärker erwies, da diese
weitgehenden liberalen Zugeständnisse der Regierung nicht einmal genügten, das
1) Hobrecht, Arthur Heinrich Ludolf Johnson, geb. in Kobierczyn, Kr. Pr.-Stargard,
evangelisch, seit 1879 Abgeordneter des 4. Wahlkreises Danzig (nationalliberal), 1881—84,
und seit 1886 Mitglied des Reichstags. Besuchte das Kollegium Fridericianum und das
Altstädtische Gymnasium in Königsberg i. Pr., die Universitäten Königsberg, Leipzig und
Halle, trat in Naumburg 1844 in den Justizdienst, nach Beschäftigung bei den Gerichten
Elbing, Braunsberg und Marienwerder 1846 zur Verwaltung über, wurde während des
Notstandes im Winter 1847—48 mit der Verwaltung des Landratsamts Rybnik (Ober-
schlesien), dann bis Ende 1849 mit der Verwaltung des Landratsamts Grottkau betraut.
1850—53 Regierungsassessor in Posen, 1853—56 Spezialkommissar in Gleiwitz, 1856—60
Regierungsassessor in Marienwerder, dann bis 1863 Hilfsarbeiter im Ministerium des
Innern; 1863—72 Oberbürgermeister von Breslau, 1872 bis März 1878 Oberbürgermeister
von Berlin; Staats= und Finanzminister von März 1878 bis Juli 1879. 1863—78 Mit-
glied des Herrenhauses.
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. III. 24