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eines Jahrhunderts preußisch geworden waren. Während sich in anderen
Landesteilen, namentlich des Westens, Resolutionen im Sinne schärfsten Wider-
standes gegen die Armeereorganisation mehrten, sowie seit dem Herbste 1865
Adressen von Korporationen und Vereinen zur Nachgiebigkeit gegen die For-
derungen Oesterreichs rieten und gegen einen Bruderkrieg Protest erhoben, kam
in Breslau kurz vor Ausbruch des Krieges von 1866 eine von den städtischen
Behörden unter Hobrechts Vorsitz einmütig angenommene, den Krieg eventuell
gutheißende Adresse an den König zu stande.
Nach beendetem Kriege wurde der Stadt Breslau die Ehre zu teil, daß
König und Kronprinz die heimkehrenden siegreichen Truppen der niederschlesischen
Division in die Stadt führten. Vor einem an der Schweidnitzer Brücke er-
richteten Triumphbogen begrüßte Hobrecht den König, der es sich auch nicht
nehmen ließ, persönlich auf dem von den städtischen Behörden im Schießwerder
bereiteten glänzenden Banket zu erscheinen. Der König äußerte wiederholt,
daß ihm in den schweren Stunden vor dem unvermeidlich gewordenen Kriege
die Breslauer Adresse besonders wohlgethan. Das Vertrauen, welches er damals
zu Hobrecht gewann, blieb dem letzteren dauernd erhalten. Hobrecht war als
Oberbürgermeister von Breslau seit 1863 in das Herrenhaus berufen. Im
Winter 1866/67 machte Hobrecht einen Versuch, den wegen des neuen Gymnasiums
entstandenen Konflikt durch persönliche Vorstellungen in Berlin zu beseitigen.
Eine Audienz bei dem vielbeschäftigten Ministerpräsidenten Grafen Bismarck
führte zwar dahin, daß letzterer die Forderung des Kultusministers für zu
weit gehend erklärte; ein direktes Eingreifen aber lehnte er ab. „Sie wollen,"
sagte er, „mich als Hausknecht benutzen, um Mühler hinauszuwerfen! Ich habe
aber Nötigeres zu thun — oder wenigstens, was ich zurzeit für wichtiger
halten muß. Aber versuchen Sie es doch direkt bei Seiner Majestät. Wenn
der König Ihnen helfen will, werde ich gewiß nicht hinderlich sein!“
Auch der König sprach sich auf Hobrechts Vortrag dem Verlangen der
städtischen Behörden gegenüber günstig aus und forderte Bericht vom Kultus-
minister. In der Sache selbst wurde dadurch indes nichts geändert; denn
Herr v. Mühler hielt, solange er Minister blieb, an seiner Auffassung fest,
und der König achtete die Selbständigkeit der verantwortlichen Ressortchefs zu
hoch, um eine der Ueberzeugung des Ministers widersprechende Entscheidung zu
befehlen. In der That ist die Eröffnung des neuen Gymnasiums ohne stiftungs-
mäßige Bindung an eine Konfession erst nach Mühlers Abgang gestattet worden,
als Hobrecht bereits zum Oberbürgermeister von Berlin gewählt war.
Während der Ausgang der Kriege von 1866 und 1870 einen ungeahnten
Aufschwung im wirtschaftlichen Leben der Nation zur Folge hatte, wurde die
finanzielle Lage der meisten Kommunen von Jahr zu Jahr eine schwierigere;
auf allen Gebieten ihrer Thätigkeit: im Volksschulwesen, im Straßenbau, in
der Gesundheits= und Armenpflege 2c., waren die Ansprüche gewachsen; zugleich