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übernehmen. Der Fürst war höchlichst ergötzt und meinte, diese sympathische
Antwort berechtige zu den günstigsten Erwartungen.
Am nächsten Morgen stellte sich Hobrecht rechtzeitig bei dem Kabinetschef
des Kanzlers ein. Der Kater war vorhanden und mit ihm eine sichtliche
Unentschlossenheit. Die Herren besprachen eingehend die politische Situation,
und Tiedemann entwickelte mit möglichster Präzision das Finanz- und steuer—
politische Programm des Fürsten. Man gelangte zu einer befriedigenden Ueber-
einstimmung im allgemeinen, und das Ende der Besprechung war, daß Hobrecht
sich zur Uebernahme des Finanzportefeuilles bereit erklärte.
Demnächst begab sich Tiedemann zum Fürsten und referirte über den
Inhalt seiner Unterredung mit Hobrecht. Auf Bismarcks Wunsch ersuchte Tiede-
mann Hobrecht, sofort zum Kanzler zu kommen, um die Uebernahme des
Ministeriums definitiv zu machen. Hobrecht konnte indessen erst am Abend
erscheinen, weil er an diesem Tage (22. März 1877) — es war des Kaisers
Geburtstag — einem Diner im Rathause präsidiren mußte. Um 9 Uhr
abends fand eine längere Unterredung zwischen ihm und dem Fürsten statt.!)
Fürst Bismarck verlangte an erster Stelle: Erhöhung der eigenen Ein-
nahmen des Reichs, um die Matrikularbeiträge gänzlich zu beseitigen und die
Einzelstaaten zu finanzieller Erleichterung der Kommunalverbände in stand zu
setzen, Bevorzugung der inländischen Produktion durch einen mäßigen Zoll auf
alle Einfuhr, endlich für Preußen Verstaatlichung der wichtigsten Eisenbahn-
linien. Als besonders geeignet, um eine Vermehrung der Reichseinnahmen
herbeizuführen, erachtete der Reichskanzler den Tabak und die Einführung des
Tabakmonopols als das wahrscheinlich geeignetste Mittel, ohne doch der Ent-
scheidung darüber vorgreifen zu wollen, ob nach sorgfältiger Prüfung einer
anderen Form der Besteuerung der Vorzug zu geben sei.
Was den Gedanken der Erhebung eines mäßigen Zolles von allen ein-
gehenden Waren betrifft, so lag dem Reichstag bereits ein Antrag der ver-
bündeten Regierungen vor, der die Einführung einer solchen Abgabe in ganz
geringem Betrage als statistische Gebühr forderte. Die Frage, ob später über
diesen Antrag hinauszugehen und ein wirklicher Schutzzoll zu erstreben sei,
blieb offen.:) Sie gehörte ohnehin nicht in erster Linie in das Ressort des
preußischen Finanzministers. Mit den anderen Zielen war Hobrecht durch-
aus einverstanden. Bezüglich einer stärkeren Heranziehung des Tabaks und der
Wahl des zweckdienlichsten Besteuerungsmodus sollte baldmöglichst eine gründliche
1) In Kohls Bismarcks-Regesten nicht erwähnt.
2) In Bezug auf die handelspolitische Frage bemerkte Hobrecht zu Bismarck, er sei
im Grunde Freihändler, worauf Bismarck bemerkte: „Das bin ich von Haus aus auch;
das schließt nicht aus, daß wir diejenigen Industriezweige in Schutz nehmen, die unter der
Aufhebung der Zölle ganz besonders gelitten haben.“ Hobrecht konnte dies zugeben.