Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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Wenige Wochen nach dem Eintritt Hobrechts in das Staatsministerium 
fand das Attentat Hödels, ein paar Monate später das Attentat Nobilings 
Das Vorzimmer wimmelte von weißen Krawatten und schwarzen Fracks. Wunderbar, 
es waren lauter Berliner Stadträte und Stadtverordnete, alle sich noch die schlaftrunkenen 
Augen reibend. Unsere Räte und Verordnete, das muß man wissen, arbeiten alle spät in 
die Nacht hinein und ruhen daher gern am Morgen. Aber was wollen die alle hier? 
Abschied nehmen oder ihren geliebten Chef zurückrufen? Oder bei ihm bleiben als die 
künftigen Geheimen Finanzräte, Ministerialdirektoren und Unterstaatssekretäre? Die Stadt 
würde sich bei dem Tausche nicht schlechter befinden. Philipp von Macedonien sagte zu 
seinem Sohne Alexander: „Mein Sohn, suche Dir ein anderes Königreich, Macedonien ist 
zu klein für Dich.“ Nichts begreiflicher, als daß für viele unserer Stadtverordneten und 
Stadträte Berlin längst zu klein ist. Für ihre großen zivilisatorischen Projekte wird es 
ihnen enge in der einzelnen Stadt. Sie wollen mehr Luft — sie suchen sich eine größere 
Domäne für ihre gigantischen Pläne. Ein Staatsirrenhaus, eine Staatskanalisation und 
Staatsschulden! Das klingt ganz anders und lohnt eher. 
Inzwischen waren mehrere der weißen Krawatten und künftigen Gebeimen 
Finanzräte beim Minister eingelassen und zurückgekehrt. Da hörte ich meinen Namen, und 
ich trat ein. 
Ich wurde auf das gnädigste empfangen. Ein hübscher Mann, der neue Finanz- 
minister, schlank, blond, mit Schnur= und Kinnbart, beweglich. War der frühere Minister 
der Typus der sieben fetten Kühe Pharaos, so fand ich jetzt den umgekehrten Typus. 
„Sie sind von der Union?“ 
„Zu Befehl, Ercellenz.“ 
„Ich kenne das Blatt. Sie hätten beinah einst meine Milde verwirkt, habe ich 
Ihnen das nicht sagen lassen?“" 
„Zu Befehl, Excellenz, durch den Stadtrat-Reporter in der Voß'schen.“ 
„Doch habe ich niemals an Ihrer bona fides gezweifelt.“ 
„Ich weiß es vom Stadtrat-Syndikus.“ 
„Nun, was ist Ihr Begehr?“ 
„Excellenz, um es kurz zu sagen, die Augen von Millionen, ich meine nicht Mark, 
sondern Menschen, sind auf Sie gerichtet, alle Welt möchte Ihr Glaubensbekenntnis 
wissen. . 
„Mein Glaubensbekenntnis? — Ich bin evangelisch.“ 
„Excellenz verzeihen, Ihr politisches, Ihr finanzielles Glaubensbekenntnis.“ 
„Haben Sie nicht draußen die Inschrift über meiner Thür gelesen?“ 
„Ja, aber damit ist doch nicht das Defizit zu decken.“ 
„Das Defizit? — Hm, Sie baben recht — doch nehmen wir uns erst eine Cigarre 
— ich habe noch etwas Zeit und bin diesen Morgen noch nicht zum Rauchen ge- 
kommen. Nehmen Sie nur; es ist dieselbe Sorte, die der Fürst raucht; ich habe 
Vorrat . . .“ 
Bei diesen Worten öffnete der Minister eine Thür und zeigte auf einen Haufen 
Cigarrenkisten, etwa zwanzig an der Zahl, zu je 1000 Stück. „Sehen Sie,“ fuhr er fort, 
„für mein Leben habe ich genug; der Fürst und ich haben uns einen gleichen Vorrat 
direkt aus der Havanna kommen lassen, nun kann die Steuer kommen und das 
Monopol .. . Eine Nachsteuer gibt es nicht. Da haben Sie mein ganzes Glaubens- 
bekenntnis.“ 
„Excellenz sind für das Monopol?“
	        
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