Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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Pläne einer Finanz= und Steuerreform ausgearbeitet. Das Reich sollte auf- 
hören, ein lästiger Kostgänger bei den Einzelstaaten zu sein; die bessere Aus- 
nutzung seiner eigenen Steuerquelle sollte es in den Stand setzen, den Finanzen 
der Einzelstaaten zu Hilfe zu kommen. Gegen die Durchführung eines solchen 
Plans war ein starker Widerstand vorherzusehen, wenn es nicht gelang, die 
Besorgnis vor einer Schmälerung der parlamentarischen Budgetrechte zu beseitigen. 
Anfangs Dezember 1878 hatte der Staatsminister Hobrecht im Staatsministerium 
eine zur Beseitigung dieser Besorgnis bestimmte Klausel (sie erhielt dann durch 
die Allerhöchste Kabinetsordre vom 26. Dezember ihre Sanktion) vorgetragen; 
es war beschlossen, die Zustimmung des noch in Friedrichsruh weilenden Fürsten 
dazu einzuholen; der Finanzminister Hobrecht fragte an, ob ihm ein mündlicher 
Vortrag genehm sei. Die bejahende Antwort enthielt zugleich die Aufforderung 
an den Finanzminister, sein Jagdzeug nicht zu vergessen. 
Gerade in jenen Tagen hatten gewisse Verhandlungen über die Verstärkung 
des Evangelischen Oberkirchenrats zu einer peinlichen Krisis geführt. Der Kaiser 
verlangte die Berufung zweier bestimmten Geistlichen, in denen der Kultusminister 
Falk ausgesprochene Gegner der von ihm erstatteten Entwicklung sah. Der 
Vizepräsident des Staatsministeriums Graf zu Stolberg suchte eine Lösung im 
Sinne Falks herbeizuführen, war aber nicht zum Ziele gelangt und bat den 
Minister Hobrecht jetzt, da er nach Friedrichsruh reisen wollte, auch diese An- 
gelegenheit beim Fürsten zur Sprache zu bringen. 
Am 17. Dezember langte der Finanzminister zum zweiten Frühstück in 
Friedrichsruh an. 1) Die amtliche Besprechung wurde auf den Abend verschoben. 
Nach dem Frühstück machte derselbe mit dem Fürsten eine mehrstündige Fahrt 
in offenem Wagen durch den Forst und einige an seiner Grenze liegende Dörfer 
und Vorwerke. Es war kalt und stürmisch, die Winterlandschaft aber und der 
tief verschneite Wald boten entzückende Bilder. Erst ziemlich spät, nach einem 
reichen Diner, als Pfeife und Cigarre angezündet waren, zog sich Bismarck 
mit seinem Gaste in das Arbeitszimmer des Fürsten zur Verhandlung zurück. 
Hobrechts Hauptabsicht war rasch genug erledigt. Der Fürst erklärte sich nach 
kurzem Besinnen mit der Ordre, wie der Finanzminister sie formulirt hatte, 
einverstanden. Der Vortrag der Falkschen Streitfrage aber erweckte seinen 
stärksten Unwillen. Der Gegenstand des Kampfes erschien ihm unwichtig oder 
doch zurzeit bedeutungslos; er schalt heftig über den Eigensinn der einen, die 
Ungeschicklichkeit der anderen hierbei beteiligten Personen; Hobrecht war über die 
ihm fremde Angelegenheit zu wenig informirt, um befriedigende Aufklärungen 
geben zu können, und beschränkte sich darauf, hervorzuheben, wie sehr alle 
1) Um diesen Besuch hat sich ein förmlicher Mythenkranz geschlungen; vgl. die 
„Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 305 v. 25. 12. 78 u. Nr. 43 v. 18. 2. 79. Horst Kohl läßt 
irrtümlich Hobrecht vom 19. bis 22. Dezember in Friedrichsruh verweilen.
	        
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