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Veröffentlichung eines neuen wirtschaftspolitischen Programms, ohne jeden
Versuch einer vorgängigen Verständigung mit dem dabei doch sehr wesentlich
interessirten Minister, nicht in der Schärfe, wie es damals geschah, als ver—
letzend empfunden haben. 1)
Die Majorität des nach der Auflösung neu gewählten Reichstags zeigte
sofort eine scharf schutzzöllnerische Richtung. Der Programmbrief des Fürsten
Bismarck vom 15. Dezember 1878 fand lebhafte Zustimmung; es konnte mit
Sicherheit auf eine Vermehrung der Reichseinnahmen, soweit solche aus neuen
oder erhöhten Einfuhrzöllen zu erwarten waren, gerechnet werden. Im ganzen
hielt sich indes der im preußischen Staatsministerium während des Winters
ausgearbeitete Tarifentwurf in mäßigen Grenzen. Hobrecht war, wie bereits
oben bemerkt, ein Gegner schutzzöllnerischer Bestrebungen, und auch der Reichs-
kanzler wollte von Haus aus nicht über die maßvollen Sätze des früheren Zoll-
vereins hinausgehen. Erst in den Beratungen des Reichstags kam es infolge
des Andrängens der Majorität zu bedeutenderen Zollerhöhungen. Hobrecht
glaubte die für notwendig erachtete Vermehrung der eigenen Einnahmen des
Reichs wesentlich aus den Verbrauchsabgaben erzielen zu müssen. Hierbei
führte der Bericht der für die Tabaksteuerenqubte eingesetzten Kommission zu
einer Differenz zwischen dem Reichskanzler und Hobrecht. Dieser zog aus dem
gewonnenen Material den Schluß, daß von dem Versuche einer Einführung des
Monopols Abstand genommen werden müsse, der Reichskanzler fand in den
Erhebungen einen Mangel an Objektivität, namentlich eine tendenziöse Ueber-
schätzung der etwaigen Entschädigungsansprüche, und fand sich in der Annahme,
daß das Monopol vor allen andern Formen den Vorzug verdiene, bestärkt.
Inzwischen trat er dem vom Finanzminister aufgestellten Entwurf einer Gewichts-
steuer nicht entgegen in der Erwartung, daß derselbe später doch zum Monopol
führen werde. Der dem Reichstag vorgelegte Enwurf wollte das Verhältnis
zwischen dem Zoll auf ausländischen und der Steuer auf den inländischen
Tabak nicht ändern; der inländische Tabakbau sollte nicht ungünstiger gestellt,
es sollte aber kein Anreiz zu seiner Ausdehnung gegeben werden. Diese Absicht
wurde durch den Reichstag vereitelt, der die Steuer auf den inländischen Tabak
erheblich herabsetzte und damit das Verhältnis zwischen Steuer und Zoll zu
1) Notizen über die amtliche Wirksamkeit des Finanzministers Hobrecht finden sich
in der „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 100 v. 24. 4. 78 (Stellung zum Tabakmonopol); „Kreuz-
Ztg.“ Nr. 251 v. 26. 10. 78 (Schwierigkeit seiner Stellung), Nr. 264 v. 10. 11. 78
(Handelspolitische und finanzielle Ziele Hobrechts); „Frankfurter Ztg.“ Nr. 325 v. 21. 11. 78
(Hobrechts Debut); „Schlesische Ztg.“ Nr. 546 v. 22. 11. 78 (Hobrechts Inauguralrede);
„Kölnische Ztg.“ Nr. 329 v. 26. 11. 78 (Hobrechts Steuerprogramm); Ersuchen Bismarcks
an Hobrecht, Maybach und Hofmann um Vorschläge zur Zoll= und Steuerreform vom
April 1878 „Prov.-Korr.“ v. 10. 4. 78; 15. August 1878: Hobrecht bei Bismarck in
Kissingen zu Besuch, kurz nach Beendigung der Heidelberger Ministerkonferenzen.