Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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Veröffentlichung eines neuen wirtschaftspolitischen Programms, ohne jeden 
Versuch einer vorgängigen Verständigung mit dem dabei doch sehr wesentlich 
interessirten Minister, nicht in der Schärfe, wie es damals geschah, als ver— 
letzend empfunden haben. 1) 
Die Majorität des nach der Auflösung neu gewählten Reichstags zeigte 
sofort eine scharf schutzzöllnerische Richtung. Der Programmbrief des Fürsten 
Bismarck vom 15. Dezember 1878 fand lebhafte Zustimmung; es konnte mit 
Sicherheit auf eine Vermehrung der Reichseinnahmen, soweit solche aus neuen 
oder erhöhten Einfuhrzöllen zu erwarten waren, gerechnet werden. Im ganzen 
hielt sich indes der im preußischen Staatsministerium während des Winters 
ausgearbeitete Tarifentwurf in mäßigen Grenzen. Hobrecht war, wie bereits 
oben bemerkt, ein Gegner schutzzöllnerischer Bestrebungen, und auch der Reichs- 
kanzler wollte von Haus aus nicht über die maßvollen Sätze des früheren Zoll- 
vereins hinausgehen. Erst in den Beratungen des Reichstags kam es infolge 
des Andrängens der Majorität zu bedeutenderen Zollerhöhungen. Hobrecht 
glaubte die für notwendig erachtete Vermehrung der eigenen Einnahmen des 
Reichs wesentlich aus den Verbrauchsabgaben erzielen zu müssen. Hierbei 
führte der Bericht der für die Tabaksteuerenqubte eingesetzten Kommission zu 
einer Differenz zwischen dem Reichskanzler und Hobrecht. Dieser zog aus dem 
gewonnenen Material den Schluß, daß von dem Versuche einer Einführung des 
Monopols Abstand genommen werden müsse, der Reichskanzler fand in den 
Erhebungen einen Mangel an Objektivität, namentlich eine tendenziöse Ueber- 
schätzung der etwaigen Entschädigungsansprüche, und fand sich in der Annahme, 
daß das Monopol vor allen andern Formen den Vorzug verdiene, bestärkt. 
Inzwischen trat er dem vom Finanzminister aufgestellten Entwurf einer Gewichts- 
steuer nicht entgegen in der Erwartung, daß derselbe später doch zum Monopol 
führen werde. Der dem Reichstag vorgelegte Enwurf wollte das Verhältnis 
zwischen dem Zoll auf ausländischen und der Steuer auf den inländischen 
Tabak nicht ändern; der inländische Tabakbau sollte nicht ungünstiger gestellt, 
es sollte aber kein Anreiz zu seiner Ausdehnung gegeben werden. Diese Absicht 
wurde durch den Reichstag vereitelt, der die Steuer auf den inländischen Tabak 
erheblich herabsetzte und damit das Verhältnis zwischen Steuer und Zoll zu 
1) Notizen über die amtliche Wirksamkeit des Finanzministers Hobrecht finden sich 
in der „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 100 v. 24. 4. 78 (Stellung zum Tabakmonopol); „Kreuz- 
Ztg.“ Nr. 251 v. 26. 10. 78 (Schwierigkeit seiner Stellung), Nr. 264 v. 10. 11. 78 
(Handelspolitische und finanzielle Ziele Hobrechts); „Frankfurter Ztg.“ Nr. 325 v. 21. 11. 78 
(Hobrechts Debut); „Schlesische Ztg.“ Nr. 546 v. 22. 11. 78 (Hobrechts Inauguralrede); 
„Kölnische Ztg.“ Nr. 329 v. 26. 11. 78 (Hobrechts Steuerprogramm); Ersuchen Bismarcks 
an Hobrecht, Maybach und Hofmann um Vorschläge zur Zoll= und Steuerreform vom 
April 1878 „Prov.-Korr.“ v. 10. 4. 78; 15. August 1878: Hobrecht bei Bismarck in 
Kissingen zu Besuch, kurz nach Beendigung der Heidelberger Ministerkonferenzen.
	        
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