Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

— 388 — 
Staatsminister, Vizepräsident des. Staatsministeriums 
Graf zu Stolberg-Wernigerodes) 
(geboren 30. Oktober 1837, gestorben 19. November 1896) 
war mit Bismarck schon seit den sechziger Jahren bekannt und eine demselben 
jedenfalls sehr sympathische Persönlichkeit. Das Wohlwollen, das Bismarck für 
Stolberg hegte, erhellt aus folgenden beiden Kundgebungen desselben. Als die 
Wahlen zum konstituirenden Reichstag ausgeschrieben wurden, gelangten an 
Bismarck von vielen Seiten Anfragen, ob ihn die Wahl dieses oder jenes 
Kandidaten sympathisch berühre. Auf eine Anfrage dieser Art richtete Fürst 
Bismarck am 18. Januar 1867 an den Regierungspräsidenten v. Schwarzhoff 
in Magdeburg 2) folgendes Privatschreiben: 
1) Otto Graf zu Stolberg-Wernigerode, geboren zu Gedern, besuchte das Gymnasium 
in Duisburg und, nachdem er seinem Großvater, Grafen Heinrich, am 16. Februar 1854 
gefolgt war, die Universitäten Göttingen und Heidelberg. Er diente 1859 bis 1861 als 
Offizier in der preußischen Armee und wurde 1867 zum Oberpräsidenten der neuen Provinz 
Hannover ernannt. Diesen unter den damaligen schwierigen Verhältnissen besonders 
verantwortungsvollen Posten bekleidete er mit Takt, Umsicht und großem Erfolge bis zum 
Jahre 1873. Noch während dieser Periode wurde er (1872) zum Präsidenten des 
preußischen Herrenhauses gewählt, dessen Verhandlungen er bis 1876 leitete, während er 
zugleich als Mitglied des Reichstags an dem politischen Leben des Reichs Anteil nahm. 
In die Zeit dieser doppelten Thätigkeit fiel endlich noch gegen Ende des Jahres 1875 das 
Präsidium der außerordentlichen Generalsynode, die die Verfassung der evangelischen Kirche 
in Preußen feststellte. Die Thätigkeit auf dem Felde innerer Politik wurde im nächsten 
Jahre unterbrochen, als Graf Stolberg zum Botschafter des Deutschen Kaisers am Wiener 
Hofe ernannt wurde, eine Stellung, die er während der schweren Zeiten inne hatte, als 
sich die Wolken im Orient immer dichter zusammenballten, bis sie sich in dem Gewitter 
des russisch-türkischen Krieges entluden. Ungefähr gleichzeitig mit dem Frieden von San 
Stefano wurde Graf Stolberg wieder der diplomatischen Thätigkeit entzogen und am 
1. Juni 1878 zum Vizepräsidenten des Staatsministeriums und zum Stellvertreter des 
Reichskanzlers ernannt, in welcher Stellung er jedoch nur drei Jahre verblieb. Nach dem 
Tode des Grafen Redern ward Graf Stolberg 1884 Oberstkämmerer und stellvertretender 
Minister des Königlichen Hauses. Das letztere Amt erhielt im Jahre 1888 der Minister 
v. Wedel. Die Stellung der obersten Hoscharge gab der Graf, der inzwischen am 
22. Oktober 1890 die Genehmigung zur Führung des Fürstentitels erlangt hatte, auf. 
Seit jener Zeit wohnte Fürst Stolberg wieder auf seinem von ihm neuerbauten Schlosse 
in Wernigerode und kam nur nach Berlin, um an den Sitzungen des Herrenhauses 
teilzunehmen, das ihn nach dem Tode des Herzogs von Ratibor wieder zum Präsidenten 
wählte. Am 27. Januar 1892 erhielt der Fürst den Charakter eines Generals der 
Kavallerie; er war Kanzler des Schwarzen Adler-Ordens und Kommendator des Johanniter- 
Ordens, auch Vorsitzender des Vereins deutscher Standesherren. Er war ferner Vorsitzender 
des Zentralkomites der deutschen Vereine und des preußischen Vereins vom Roten Kreuz, 
die er im April 1892 auf dem internationalen Kongreß in Rom als dessen erwählter Vize- 
präsident vertrat. 
2) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.