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Staatsminister, Vizepräsident des. Staatsministeriums
Graf zu Stolberg-Wernigerodes)
(geboren 30. Oktober 1837, gestorben 19. November 1896)
war mit Bismarck schon seit den sechziger Jahren bekannt und eine demselben
jedenfalls sehr sympathische Persönlichkeit. Das Wohlwollen, das Bismarck für
Stolberg hegte, erhellt aus folgenden beiden Kundgebungen desselben. Als die
Wahlen zum konstituirenden Reichstag ausgeschrieben wurden, gelangten an
Bismarck von vielen Seiten Anfragen, ob ihn die Wahl dieses oder jenes
Kandidaten sympathisch berühre. Auf eine Anfrage dieser Art richtete Fürst
Bismarck am 18. Januar 1867 an den Regierungspräsidenten v. Schwarzhoff
in Magdeburg 2) folgendes Privatschreiben:
1) Otto Graf zu Stolberg-Wernigerode, geboren zu Gedern, besuchte das Gymnasium
in Duisburg und, nachdem er seinem Großvater, Grafen Heinrich, am 16. Februar 1854
gefolgt war, die Universitäten Göttingen und Heidelberg. Er diente 1859 bis 1861 als
Offizier in der preußischen Armee und wurde 1867 zum Oberpräsidenten der neuen Provinz
Hannover ernannt. Diesen unter den damaligen schwierigen Verhältnissen besonders
verantwortungsvollen Posten bekleidete er mit Takt, Umsicht und großem Erfolge bis zum
Jahre 1873. Noch während dieser Periode wurde er (1872) zum Präsidenten des
preußischen Herrenhauses gewählt, dessen Verhandlungen er bis 1876 leitete, während er
zugleich als Mitglied des Reichstags an dem politischen Leben des Reichs Anteil nahm.
In die Zeit dieser doppelten Thätigkeit fiel endlich noch gegen Ende des Jahres 1875 das
Präsidium der außerordentlichen Generalsynode, die die Verfassung der evangelischen Kirche
in Preußen feststellte. Die Thätigkeit auf dem Felde innerer Politik wurde im nächsten
Jahre unterbrochen, als Graf Stolberg zum Botschafter des Deutschen Kaisers am Wiener
Hofe ernannt wurde, eine Stellung, die er während der schweren Zeiten inne hatte, als
sich die Wolken im Orient immer dichter zusammenballten, bis sie sich in dem Gewitter
des russisch-türkischen Krieges entluden. Ungefähr gleichzeitig mit dem Frieden von San
Stefano wurde Graf Stolberg wieder der diplomatischen Thätigkeit entzogen und am
1. Juni 1878 zum Vizepräsidenten des Staatsministeriums und zum Stellvertreter des
Reichskanzlers ernannt, in welcher Stellung er jedoch nur drei Jahre verblieb. Nach dem
Tode des Grafen Redern ward Graf Stolberg 1884 Oberstkämmerer und stellvertretender
Minister des Königlichen Hauses. Das letztere Amt erhielt im Jahre 1888 der Minister
v. Wedel. Die Stellung der obersten Hoscharge gab der Graf, der inzwischen am
22. Oktober 1890 die Genehmigung zur Führung des Fürstentitels erlangt hatte, auf.
Seit jener Zeit wohnte Fürst Stolberg wieder auf seinem von ihm neuerbauten Schlosse
in Wernigerode und kam nur nach Berlin, um an den Sitzungen des Herrenhauses
teilzunehmen, das ihn nach dem Tode des Herzogs von Ratibor wieder zum Präsidenten
wählte. Am 27. Januar 1892 erhielt der Fürst den Charakter eines Generals der
Kavallerie; er war Kanzler des Schwarzen Adler-Ordens und Kommendator des Johanniter-
Ordens, auch Vorsitzender des Vereins deutscher Standesherren. Er war ferner Vorsitzender
des Zentralkomites der deutschen Vereine und des preußischen Vereins vom Roten Kreuz,
die er im April 1892 auf dem internationalen Kongreß in Rom als dessen erwählter Vize-
präsident vertrat.
2) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt.