Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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würden durch die Ausführung des Entschlusses, den Ew. Excellenz zu meinem 
Bedauern kundgeben, wesentlich gesteigert werden; die Versuchung, mich denselben 
auch meinerseits durch den Rücktritt aus dem Dienst zu entziehen, wird dadurch 
gesteigert. Das Gefühl, Sr. Majestät dem König Verlegenheiten zu ersparen, 
und die Ueberzeugung, daß ein Minister nicht bloß für seine Amtsführung, 
sondern auch für seinen Rücktritt und dessen Folgen eine Verantwortlichkeit 
trägt, halten mich bisher in meiner Stellung, können mir aber die schwindenden 
Kräfte nicht ersetzen, und ich habe schließlich doch nicht allein die Verpflichtung, 
dafür aufzukommen, daß die Kontinuität der gegenwärtigen Regierung erhalten 
werde. Meine Privatverhältnisse machen es mir von Jahr zu Jahr dringlicher, 
mich, wenn nicht ausschließlich, doch mehr als bisher mit meinen eigenen An— 
gelegenheiten zu befassen, und mit der wachsenden Stärke der dem Staat und 
seiner Regierung entgegenstehenden Parteien und ihrer Anstrengungen wächst 
auch die Arbeit meiner ministeriellen Stellung und vermindert sich die Möglich- 
keit, meine eigenen Geschäfte im Auge zu behalten. Ich bin auch, wenn ich 
zurücktrete, gegen den Vorwurf gesichert, daß ich dem Dienst des Vaterlandes 
meine Schuld nicht bezahlt hätte. Dem Bedürfnis nach Wiedererlangung meiner 
Freiheit steht außerdem die steigende Notwendigkeit, meiner Gesundheit zu leben, 
zur Seite. In dieser meiner Situation bin ich noch mehr als früher auf die 
Unterstützung der Kollegen angewiesen, und wenn Ew. Excellenz mir die Ihrige 
entziehen, so kann dieses für mich unerwartete Ergebnis auch nicht ohne Einfluß 
auf meine Entschließung bleiben. Sie sagen, daß Sie Ihre amtliche Leistung 
gering anschlagen, aber ich glaube, Sie unterschätzen dieselbe. Es kommt in 
Ew. Excellenz Stellung gar nicht darauf an, daß Sie in die Details der Geschäfte 
regelmäßig eingreifen; es kommt vielmehr darauf an, ob das Gewicht Ihrer 
Persönlichkeit und Ihrer Stellung im Lande in die Wagschale des Ministeriums 
gelegt wird oder nicht, sowohl dem Lande gegenüber als auch in der Vertretung 
unserer Politik bei Sr. Majestat dem König. Ich habe manche Kollegen im 
Staatsministerium gehabt, welche bei ununterbrochener eigenhändiger Beteiligung 
an den laufenden Geschäften dennoch in langjähriger Amtsthätigkeit dem Lande nicht 
dieselbe Summe von Diensten geleistet haben, wie Ew. Excellenz allein in der 
Zeit des Oktobers v. J. In diesen und andern Vorkommnissen von politischem 
Schwergewicht, wie die kirchliche Gesetzgebung, die Reformen unseres Steuer- 
wesens, kurz, in allen größeren prinzipiellen Fragen ist das Gewicht Ihres 
Namens und Ihrer Person nicht so leicht zu ersetzen, wie Sie annehmen. 
Ew. Excellenz werden mir darin recht geben, wenn Sie auch nur den Versuch 
machen wollten, den Nachfolger zu nennen, den ich dem Könige vorschlagen 
könnte. Der Versuch, ähnlich wie früher zur Zeit Camphausens, einem der 
andern Minister die Vertretung im Präsidium zu übertragen, würde, wie ich 
fürchte, sofort weitere Personalkrisen im Gefolge haben. Gleichgiltig, auf welchen 
von unseren Kollegen die Allerhöchste Wahl fiele: die Ernennung des einen
	        
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