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Ausscheiden des Grafen Stolberg aus seiner bisherigen Stellung.) Die
„Nordd. Allg. Ztg.“ gab zu dem Abschied desselben, welcher unter Verleihung
des Hohenzollernschen Hausordens von einem huldreichen Handschreiben des
Kaisers begleitet war, folgenden offiziösen Kommentar: „Der Vizepräsident des
Staatsministeriums Graf Stolberg-Wernigerode hat auf wiederholtes, mit
seinen Privatverhältnissen begründetes Ansuchen von Sr. Majestät dem Kaiser
und König die Entlassung aus seinen Aemtern erhalten. Graf Stolberg hatte
bereits im vorigen Sommer um seine Entlassung gebeten, ließ sich jedoch durch
den Reichskanzler bewegen, hiervon vorläufig wieder Abstand zu nehmen. Im
Beginn dieses Frühjahrs wiederholte er sein Abschiedsgesuch, und nur der per-
sönliche Wunsch Sr. Majestät des Kaisers und die Bitten des Reichskanzlers
und der übrigen Staatsminister veranlaßten ihn, bis zum Schlusse des Reichs-
tages in Funktion zu bleiben.“ 2)
1) Betrachtungen hierüber findet man in der „Post“ 1881 Nr. 167, „Voss. Ztg.“
Nr. 281 v. 21. 6. 81.
2) Die „National-Ztg.“ bemerkte zu demselben Anlasse (Nr. 283 v. 20. 6. 81): „Es
galt schon seit längerer Zeit als sicher, daß Graf Stolberg aus der Stellung, welche er vor
etwas länger als drei Jahren, zugleich mit dem Eintritt der Herren Graf B. Eulenburg,
Hobrecht und Maybach in die Regierung, übernommen hatte, auszuscheiden wünschte, und
daß er nur durch den Wunsch des Kaisers zurückgehalten wurde. Graf Stolberg hatte von
dem ihm übertragenen Amte mehr Einfluß und Gelegenheit zur Bethätigung erwartet, als
er darin fand. Ob Beides ihm vermöge der eigentümlichen Gestaltung, welche die Reichs-
und preußische Regierung immer mehr empfing, von der andern Seite vorenthalten wurde,
oder ob es an dem Grafen lag, daß er sich keine hervorragendere Position erwarb, entzieht
sich dem Urteil der Außenstehenden. Jedenfalls verschwand der „Vizekanzler' immer mehr
für die politischen Kreise und für das Publikum; nur bei einzelnen Staatsaktionen, der
Eröffnung des Reichstags oder Landtags und dergleichen, fungirte er. Es ist begreiflich,
daß eine solche Stellung einem vornehmen, durch großen Besitz in jedem Betracht un-
abhängigen Herrn, der vorher mit Anerkennung wichtige amtliche Stellungen, das Ober-
präsidium von Hannover und den Botschafterposten in Wien bekleidet hatte, nicht genügen
konnte. Während der Zeit, als Fürst Hohenlohe das Auswärtige Amt interimistisch leitete,
war von seiner Ernennung zum Vizekanzler mehrfach die Rede, so daß damals schon Graf
Stolbergs Rücktritt bevorzustehen schien. Als in diesem Frühjahr der Konflikt zwischen
dem Fürsten Bismarck und dem Grafen B. Eulenburg ausbrach, hieß es, daß Graf Stolberg
entschieden auf der Seite des damals ausscheidenden Ministers des Innern stand, und sein
Rücktritt galt damals bereits als beschlossene Sache. Wenn wir bei der Passivität, welche
Graf Stolberg während seiner Mitgliedschaft in der Reichs= und preußischen Regierung
nach außen hin zeigte, nicht in der Lage sind, ihm Verdienste nachzurühmen, so ist anderer-
seits hervorzuheben, daß er ebensowenig durch sein Verhalten jemals Opposition heraus-
forderte; von Personen, welche mit ihm in amtliche Berührung kamen, wurde sein Wohl-
wollen gerühmt; in der ersten Zeit seiner Amtsführung, als zu Verständigungsversuchen
mit den Liberalen noch zuweilen Anlaß vorhanden war, hat er solche mehrfach vermittelt,
wozu persönliche Beziehungen aus der Zeit seiner hannoverschen Oberpräsidialverwaltung
ihn speziell befähigten.“