Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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Das eine steht jedenfalls fest: weder sachliche noch persönliche Differenzen 1) 
Stolbergs mit Bismarck haben den Anlaß zu dem Ausscheiden des ersteren 
gegeben. Die beiderlei Beziehungen blieben nach wie vor ungetrübte. 2) So 
war es dem Grafen Stolberg vergönnt, am 25. März 1895 als Präsident des 
Herrenhauses den Altreichskanzler in Friedrichsruh zu seinem achtzigsten Geburts- 
tag zu beglückwünschen. 
Minister D. Dr. Bosse, der im Jahre 1871 unter dem Grafen Otto 
zu Stolberg in Hannover als Oberpräsidialrat und von 1878 bis 1881 
in Berlin als vortragender Rat im Staatsministerium alle politischen An- 
gelegenheiten bearbeitete und das volle Vertrauen des Grafen besaß, hat mir 
auf meine Bitte um einen Beitrag zu diesem Werke folgende Mitteilungen 
gemacht: 
„Wenn ich das Ergebnis meiner Erinnerungen und Aufzeichnungen über 
den verewigten Fürsten Otto zu Stolberg zusammenfassen soll, so würde ich zu 
dem Schlusse kommen, daß die politische Wirksamkeit desselben allgemein unter- 
schätzt worden ist. Der einzige, der sie wohl gewürdigt hat, ist, wie die jetzt 
veröffentlichte Korrespondenz zwischen Fürst Bismarck und dem Grafen über den 
Rücktritt des letzteren ergibt, anscheinend Fürst Bismarck gewesen. Zwar finde 
ich in meinen Notizen hie und da Eindrücke verzeichnet, nach denen ich ein 
etwas stärkeres und lebhafteres Hervortreten des Grafen Stolberg nach außen, 
insbesondere in den Parlamenten, in seinem Interesse für wünschenswert ge- 
halten habe. Allein immer habe ich ein gewisses Maß der Reserve, das er sich 
auferlegte, mir daraus erklärt, daß er in wahrhaft vornehmer Selbstlosigkeit 
auch den bloßen Schein zu vermeiden trachtete, als ob er sich in die leitende 
Thätigkeit des Kanzlers und Ministerpräsidenten einzudrängen gewillt sei. Er 
war ängstlich, vielleicht zuweilen allzu ängstlich darauf bedacht, in allen Be- 
ziehungen die führende und bestimmende Initiative des Fürsten Bismarck, dessen 
staatsmännisches Uebergewicht und Größe er rückhaltlos aus voller Ueberzeugung 
anerkannte, zu wahren. Das führte ihn dahin, selbst bei solchen Aktionen, in 
denen er die wichtigsten persönlichen Dienste geleistet hatte — ich denke dabei 
vorzugsweise an seine Reise nach Baden zur Ueberwindung der Bedenken 
Er. hochseligen Majestät des Kaisers Wilhelm bezüglich des österreichischen 
Allianzvertrages im Herbst 1879 —, völliges, selbstloses Schweigen auch da zu 
bewahren, wo er hätte reden dürfen, und doch hat er damals, soweit meine 
Kenntnis reicht, den Kaiser bestimmt, den Bismarckschen Vorschlägen zuzustimmen. 
1) Nach der „Nat.-Ztg.“ Nr. 284 v. 21. 6. 81 soll der Vizekanzler auch mit den 
sozialpolitischen Plänen des Kanzlers nicht einverstanden gewesen sein. Diese Nachricht ist 
entschieden unzutreffend. 
2) 13. Februar 1879 und 6. März 1880 die Fürstin Bismarck auf der Soirée 
der Gräfin Stolberg.
	        
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