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Maß auch einer starken Ministerbelastung erheblich hinausging. Aber wer denkt
daran heute noch?
Sein Rücktritt wurde, wie schon erwähnt, von den übrigen Ministern sehr
schmerzlich empfunden. Kurz bevor sein Entlassungsgesuch genehmigt wurde,
fragte mich der damalige Justizminister Dr. Friedberg nach der Stimmung
des Grafen Stolberg und fügte hinzu, sämtliche Minister legten den größten
Wert darauf, daß er bleibe. Sie hätten ihm das auch gesagt: Solange er an
ihrer Spitze stehe, decke die Flagge seiner vornehmen Persönlichleit das Schiff
des jetzigen Ministeriums, während, wenn er gehe, alles aus einander zu
laufen drohe.
Graf Stolberg hat seinem Kaiser und dem Lande und sicherlich auch dem
Fürsten Bismarck durch seine aufopferungsvolle Wirksamkeit als Stellvertreter
des Reichskanzlers und als Vizepräsident des Staatsministeriums zweifellos sehr
wertvolle Dienste geleistet. Er war eine äußerlich und innerlich wahrhaft vor-
nehme Persönlichkeit, ein Gentleman durch und durch, dabei fleißig,
gewissenhaft und pflichttreu bis zur völligen Rücksichtslosigkeit gegen sich selbst.
Reich begabt, mit schneller und sicherer Auffassung ausgerüstet, wußte er die
Geschäfte mit klarem und nüchternem Verstande zu durchdringen und sehr
gewandt zu bewältigen. Daß alle diese trefflichen Eigenschaften ihm in seiner
Stellung als Oberpräsident von Hannover noch größere Erfolge verschafft haben
als in der von vornherein weitaus heikleren Stellung eines Stellvertreters des
Reichskanzlers und eines Vizepräsidenten des Staatsministeriums, lag nicht an
ihm, sondern an den Verhältnissen seiner Berliner Stellung, deren Schwierig—
keiten er vollkommen erkannte und bewußt mit voller Selbstverleugnung auf
sich nahm.
Das ist alles, was ich Ihnen über den von mir überaus hochverehrten
verewigten Fürsten Otto zu Stolberg bei der mir so karg zugemessenen Zeit
etwa zu sagen wüßte.“
Von einer dem verstorbenen Fürsten Stolberg sehr nahestehenden Seite,
welche Einblick in dessen litterarischen Nachlaß hatte, sind mir endlich noch
folgende Bemerkungen über denselben zugegangen:
Als Programm bei der Wahl zum konstituirenden Norddeutschen Reichstage
als konservativer Kandidat des Wahlkreises Halberstadt-Oschersleben-Wernigerode
stellte Stolberg die Unterstützung der Regierung in ihren Bestrebungen einer
Einigung und Konsolidirung Norddeutschlands als Grundlage für eine künftige
Einigung ganz Deutschlands auf. Die im September 1867 erfolgte Ernennung
zum Oberpräsidenten der Provinz Hannover wurde im Lande gut aufgenommen,
und man brachte ihm ein gewisses Vertrauen entgegen, hauptsächlich wohl, weil
man sich vor einem preußischen Bureaukraten gefürchtet hatte. Anfänglich war die
Arbeitslast enorm, da er sich aus allen drei Abteilungen der Ziviladministration