Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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Verleumdung des Herrn v. Berlepsch verfolgt wurde. Im Bernsteinprozeß 
mußte er sich sagen lassen, daß er, der Sozialpolitiker, Eingaben, welche 
ihn um Abhilfe schreiender Mißstände anflehten, nicht einmal beantwortet 
hatte. Reichstag und Landtag überfielen ihn wegen seiner Verordnung für 
die Bäckereien. Er verteidigte sich, nur noch gehalten vom Zentrum, am 
15. Juni im Abgeordnetenhaus mit einer Entschiedenheit, die man an ihm 
nicht gewohnt war und aus der an mehreren Stellen Bitterkeit hervorsah; er 
verhöhnte geradezu die politischen Parteien mit ihrer „Bäckerkundschaftt. Aber 
bald fand er seine weltmännische Ruhe wieder; er verabschiedete sich verbindlich 
lächelnd am Regierungstisch und ging hinaus. Bei Fortsetzung der Debatte 
am folgenden Tage erschien er nicht; Unterstaatssekretär Lohmann erklärte, er 
sei nach Potsdam befohlen. Man hat ihn nie wiedergesehen.“!1) 
Bei dem Festmahl des Vereins für Sozialpolitik in Cöln am 24. Sep- 
tember 1897 führte Freiherr v. Berlepsch aus, er habe stets ein außerordentlich 
hohes Interesse an den Arbeiten und Zielen des Vereins genommen, namentlich 
deshalb, weil es keinen Verein gebe, der die schwebenden Fragen in ihren 
Einzelheiten so gewissenhaft durchleuchtet habe wie der Verein für Sozialpolitik. 
Wenn der Verein und die national-ökonomische Wissenschaft in der letzten Zeit 
1) Freiherr v. Berlepsch hat sich in einer Unterredung, die er dem Vertreter der 
„Staatsbürger-Zeitung“ gewährte, über die Gründe geäußert, die zu seinem Rücktritt vom 
Amte führten. Danach hat weder die Frage des Acht-Uhr-Ladenschlusses noch die der 
Organisation des Handwerks den früheren Handelsminister veranlaßt, um seine Entlassung 
einzukommen. Er erklärte, daß er in der Frage des Acht-Uhr-Ladenschlusses nicht auf dem 
Boden der Vorschläge stehe, die von der Reichskommission für Arbeiterstatistik ausgegangen 
sind, und daß sich mit diesen Vorschlägen weder das preußische Staatsministerium noch 
die Abteilungsminister befaßt haben. Die Vorlage über die Organisation des Handwerks 
habe noch während seiner Amtsthätigkeit das Staatsministerium passirt, ohne dort auf 
wesentliche Bedenken zu stoßen; es sei daher auch kein Grund zu der Annahme vorhanden, daß 
diese Frage jetzt ins Stocken geraten werde. Als einzigen Grund für seinen Rücktritt 
ließ Herr v. Berlepsch nur Meinungsverschiedenheiten mit den entscheidenden Stellen in 
der Gesamtauffassung der sozialpolitischen Fragen, insbesondere der Arbeiterfrage gelten. 
Er hält die bisherigen Maßnahmen nur für den Anfang einer praktischen Fürsorge für 
die Arbeiter, er verlangt darüber hinaus Berufsorganisationen mit möglichst weitgehenden 
Rechten und erwartet hiervon, daß die Arbeiterbewegung wie in England ihres revolutionären 
Charakters entkleidet, von der gegenwärtigen verderblichen Führung der sozialdemokratischen 
Fraktion losgelöst und so zu einer fruchtbaren organischen Mitarbeit in Staat und Gesell- 
schaft gewonnen wird. Auf diesem Wege hat er bis vor Jahresfrist an allen maßgebenden 
Stellen Zustimmung und Unterstützung gefunden, der Widerstand hat sich erst beim Beginn 
der letzten parlamentarischen Campagne bemerkbar gemacht, und er hat schließlich eine 
Ausdehnung angenommen, die seinen Rücktritt unvermeidlich machte. Er glaube, daß seine 
sozialpolitischen Anschauungen mit denen an Allerhöchster Stelle auch heute noch im Grunde 
übereinstimmen, aber auch er vermag sich der Befürchtung nicht zu verschließen, daß gegen- 
wärtig der Geist des Herrn v. Stumm über den Wassern schwebt, und daß dieser Geist 
zum Schaden der Gesamtheit den Sieg davontragen könne.
	        
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