Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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gestellt wurde, prinzipielle Bedenken hegt. Sie ist nicht der Meinung, daß das 
Maß freier Bewegung, welches die bestehenden Gesetze gewähren, im ganzen 
einer Einschränkung bedürfe; sie hält es nicht für gerecht und nicht für nützlich, 
mit den von ihr erstrebten Sicherheitsmaßregeln auch andere Bestrebungen zu 
treffen als diejenigen, durch welche die bestehende Rechtsordnung gefährdet ist; 
sie glaubt, daß gerade die Bestrebungen der Sozialdemokratie es sind, welche 
die Abwehr nötig machen, und gegen welche daher diese Abwehr zu richten ist. 
Der Unterzeichnete beehrt sich hiernach, mit Bezug auf Artikel 24 der 
Verfassung den Antrag zu stellen: 
Der Bundesrat wolle die Auflösung des Reichstags beschließen. 
v. Bismarck. 
In der Sitzung des Bundesrats vom 11. Juni 1878 wurde der Antrag 
Preußens wegen Auflösung des Reichstags, welcher an den Ausschuß nicht 
verwiesen worden war, einstimmig angenommen. Nur eine Regierung, die 
oldenburgische, gab eine Erklärung dahin ab, „daß die oldenburgische Regierung 
bei ihrer Abstimmung von der Voraussetzung ausgegangen sei, daß durch die 
Auflösung des Reichstags dem deutschen Volk Gelegenheit gegeben werden solle, 
unter den durch die letzten Vorgänge vollständig veränderten Verhältnissen seine 
Ansichten und Wünsche bezüglich der gegen die Sozialdemokratie zu ergreifenden 
Maßregeln kundzugeben, daß sie es für wünschenswert halte, dieses Motiv zu 
ganz bestimmtem Ausdruck zu bringen“. 1) 
Gegenüber dem Beharren des „Hannoverschen Courier“ bei der Behauptung, 
der Reichskanzler habe in Betreff der bundesrätlichen Abstimmung über die 
Auflösung des Reichstags erklärt, „daß er sofort zurücktreten werde, falls im 
Bundesrat auch nur eine Stimme gegen die Auflösung abgegeben werde“, 
bemerkte der „Reichsanzeiger“: „Es ist dies eine tendenziöse Erfindung, zu 
deren Herstellung an irgend einem Ort wider besseres Wissen die Unwahrheit 
gesagt worden sein muß. Die telegraphische Mitteilung, um welche allein es 
sich handeln kann, enthielt eine Antwort auf die Meldung der Gesandtschaft in 
Karlsruhe, daß die Großherzoglich badische Regierung unter Vorbehalt weiterer 
Beratungen und Immediatvorträge Bedenken gegen die Auflösung des Reichstags 
habe und glaube, daß auch der jetzige Reichstag entschiedenen Maßregeln 
1) Die Verordnung, betreffend die Auflösung des Reichstags, vom 11. Juni 1878 
lautet: Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c. 
verordnen auf Grund des nach Artikel 24 der Reichsverfassung vom Bundesrat unter 
Unserer Zustimmung gefaßten Beschlusses im Namen des Reichs was folgt: Der Reichstag 
wird hierdurch aufgelöst. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und 
beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel. Gegeben Berlin, den 11. Juni 1878. Im Aller- 
böchsten Auftrag Seiner Majestät des Kaisers: (L. S.) Friedrich Wilhelm, Kronprinz. 
Fürst v. Bismarck.
	        
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