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Verwaltungswege durch Beschluß des Bundesrats erfolgen solle. 1) In der Reichs-
tagssitzung vom 29. März bemerkte der Abgeordnete Braun zu dieser Angelegen-
heit: „Er protestire dagegen, daß diese Angelegenheit ohne Zustimmung des
Reichstags geregelt werde, und er thue dies schon jetzt, damit man nachher
nicht einwenden könne, es sei bona fide geschehen."“
Die Reichsregierung wurde demnächst (5. April 1878) im Reichstag über
die Frage interpellirt. Daraufhin erklärte der Präsident des Reichskanzler-Amts,
daß die verbündeten Regierungen Wert darauf legten, die Anschauung des
Reichstags kennen zu lernen. Der Bundesrat seinerseits erwarte noch den
Bericht der Ausschüsse über die wichtige Angelegenheit. Der gegenwärtige
Zustand, welcher die norddeutsche Branntweinindustrie offenbar schädige, wider-
spreche den Zollvereinsverträgen und der Reichsverfassung. Eine Einführung
der bayerischen Malzsteuer in Norddeutschland und der norddeutschen Brannt-
weinsteuer in Süddeutschland sei das sicherste Mittel, den Zustand zu be-
seitigen, aber wenn Norddeutschland auch die Malzsteuer annehmen wolle, so
sei es doch fraglich, ob auch der Süden bereit sei, die Branntweinsteuer zu
acceptiren.
Als Grund für die Vertagung der Interpellation verlautete alsbald, daß
diese Angelegenheit seitens des Bundesrats noch einmal an die Ausschüsse
verwiesen worden sei und dort wahrscheinlich im Sinne der Interpellanten
und der süddeutschen Interessen geregelt werde. Diese Nachricht bewahrheitete
sich, indem auf Grund eines Reichstagsbeschlusses vom 12. April 1878 der
Ausschuß des Bundesrats für Zoll= und Steuerwesen beantragte, daß zum
Zweck der Einführung einer Uebergangsabgabe von Essig der Weg der Reichs-
gesetzgebung beschritten werde.:) Ein von demselben vorgelegter Gesetzentwurf 3)
erfreute sich der Zustimmung des Bundesrats, gelangte auch an den Reichstag,
blieb aber daselbst zunächst unerledigt.
Schwenkung in der Handelspolitik. Untersuchung über die
Lage der deutschen Eisenindustrie. Der in der letzten Session des
Reichstags von zahlreichen Mitgliedern gestellte Antrag, die Reichsregierung zu
ersuchen, kommissarisch die Produktions= und Absatzverhältnisse der deutschen
Industrie und Landwirtschaft untersuchen zu lassen, war mit Rücksicht auf die
Lage der Handelsvertragsverhandlungen mit Oesterreich von den Antragstellern
1) Nach dem Referat der „Nordd. Allg. Ztg.“ über die Bundesratssitzung vom
27. März 1878 ging die Angelegenheit zur Erledigung von Spezialfragen an den Ausschuß
zurück, nachdem der Bundesrat sich grundsätzlich für die Erhebung der Uebergangsabgaben
entschieden hatte.
2) Drucks. Nr. 76 Sess. 1877|/78 in der S. 144 Note citirten Quelle.
3) Abgedruckt in der „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 105 v. 4. 5. 78; vgl. darüber die
„Nat.-Ztg.“ Nr. 232 v. 20. 5. 78.