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selbst zurückgezogen worden. Das in dem Antrag zum Ausdruck gekommene
Verlangen ruhte deshalb aber nicht.
Am 15. Februar 1878 — also noch während der Amtsperiode Camp-
hausens — erging das nachstehende Schreiben 1) an den Bundesrat:
„Der Unterzeichnete beehrt sich, den beiliegenden Antrag Preußens, betreffend
die Veranstaltung einer Untersuchung über die Lage der deutschen Eisenindustrie,
dem Bundesrat zur Beschlußnahme ganz ergebenst vorzulegen.
Der Reichzkanzler
v. Bismarck."“
Der Antrag Preußens lautete: „Der in der letzten Session des Reichs-
tags gestellte und von zahlreichen Mitgliedern unterstützte Antrag: die Reichs-
regierung zu ersuchen: 1. kommissarisch die Produktions= und Absatzverhältnisse
der deutschen Industrie und Landwirtschaft untersuchen zu lassen; 2. vor Be-
endigung dieser Untersuchung und Feststellung der sich aus derselben ergebenden
Resultate Handelsverträge nicht abzuschließen, konnte in der Verhandlung, welche
darüber im Reichstag stattfand, von seiten der verbündeten Regierungen ein
Entgegenkommen schon aus dem Grunde nicht finden, weil zu jener Zeit die
Negociationen über Erneuerung des Handels= und Zollvertrags mit Oesterreich-
Ungarn bereits begonnen hatten. Abgesehen von dieser Rücksicht, wurden zugleich
gegen das Verlangen einer Generalenqubte im Sinne des Antrags innere
sachliche Gründe geltend gemacht, insbesondere hervorgehoben: die großen
Schwierigkeiten, welche mit einer so allgemeinen Untersuchung aller Produktions-
und Absatzverhältnisse verbunden sind, die jahrelange Dauer, welche sie in
Anspruch nehmen würde, die dessenungeachtet voraussichtlich bleibende Unsicher-
heit ihrer Ergebnisse, die tiefgreifende Beunruhigung, welche Handel und
Industrie durch die während der Ausführung der Enqubte zu erwartenden
Agitationen erleiden würden. Andererseits war jedoch nicht verkannt, daß je
nach dem Verlauf der Verhandlungen mit Oesterreich-Ungarn eine Enqubte
über bestimmte Spezialfragen zweckmäßig erscheinen könne. Mit Rücksicht auf
die abgegebenen Erklärungen wurde der Antrag zurückgezogen.
Das in demselben zum Ausdruck gekommene Verlangen ist seitdem aus
den Kreisen der Industrie erneuert und von einer großen Zahl der deutschen
Handels= und Gewerbekammern sowie von dem Ausschuß des deutschen Handels-
tags unterstützt worden. Die Königlich preußische Regierung glaubt dem gegen-
über auch jetzt die angedeuteten Bedenken aufrecht erhalten und sich gegen die
Vornahme einer alle Zweige der Industrie umfassenden Generalenquêète aus-
sprechen zu sollen, indem sie der Ansicht ist, daß der dadurch bedingte Aufwand
1) In Kohls Bismarck-Regesten konnte das genaue Datum des oben genannten
Schreibens nicht mitgeteilt werden.
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. III. 29