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den andern Industriezweigen vorwiegend deshalb entziehen könne, weil zufällig
nur die Eisenindustrie in den letzten Jahren umfassende Zollbefreiungen erfahren
habe, sei doch sehr zu bezweifeln. Eine Enquete über die Eisenindustrie liege
aber auch nicht im Bedürfnisse; die Lage dieser Industrie sei in mehreren
Sessionen des Reichstags von den berufensten und sachverständigsten Abgeordneten
der entgegenstehenden wirtschaftlichen Parteien und in den dem Bundesrat und
Reichstag zugegangenen zahlreichen Petitionen so eingehend erörtert, daß das
hierdurch gewonnene Material bei gehöriger Verarbeitung ein zutreffendes Bild
von den Verhältnissen der Industrie geben dürfte. Das wesentlichste Moment
zur Entscheidung der Frage, ob zwischen der Zollreform und der Notlage der
Eisenindustrie ein innerer Zusammenhang bestehe, bilde die Ermittelung des
Imports von ausländischem und des Exports von deutschem Eisen. Diese
Zahlen ergebe allein die Statistik und zwar auch bezüglich der Ausfuhr mit
annähernder Genauigkeit; eine Enquête würde hierin nichts Neues hinzufügen
können. Das ziffermäßige Resultat dieser Statistik sei im wesentlichen die fort-
dauernde Abnahme des Eisenimports und die fortdauernde Zunahme des Eisen-
exports. Das zweite Moment würde die Ermittelung der Produktionsresultate,
Zahl der Etablissements, Hochöfen, Arbeiter u. s. w. abgeben. Auch in dieser
Richtung gewähre die Montanstatistik die genauesten Aufschlüsse. Das Ergebnis
dieser amtlichen Ermittelungen gehe dahin, daß die Eisenindustrie ihren Betrieb
in einer der voraufgegangenen Ueberproduktion entsprechenden Weise einschränke
und billiger zu produziren mit Erfolg bestrebt sei.
Schließlich beschlossen die Ausschüsse in ihrer Mehrheit: „1. von Reichs
wegen eine Untersuchung über die gegenwärtige Lage a) der deutschen Eisen-
industrie, insbesondere in Bezug auf die Rückwirkungen der seit dem Jahre 1873
eingetretenen Zollveränderungen, sowie b) der gesamten deutschen Baumwollen-
industrie, also der Spinnerei, Weberei und Druckerei, namentlich in Berück-
sichtigung der veränderten Sachlage, welche durch den Anschluß von Elsaß-
Lothringen an das Deutsche Zollgebiet geschaffen worden ist, zu veranstalten;
2. dieselbe je einer von dem Bundesrat zu ernennenden, aus je fünf Mitgliedern
bestehenden Kommission mit der Maßgabe zu übertragen, daß das von diesen
Kommissionen aufzustellende Programm für die Aufnahme der Enquete dem
Bundesrat vorgelegt werde“.
In der Sitzung des Bundesrats vom 1. Juni 1878 wurden diese Anträge
zum Beschluß erhoben. Es wurde ausdrücklich geltend gemacht, daß alle diese
Enquêten eine Handhabe für die geplante Zoll- und Steuerreform bilden sollten.
Die hamburgische Regierung erklärte, in der Voraussetzung zuzustimmen, daß in
die Kommission auch eine mit den Verhältnissen des deutschen Eisenhandels
bekannte Persönlichkeit gewählt werde, um Sorge tragen zu können, daß bei
der Untersuchung neben den Interessen der Eisenindustrie auch diejenigen des
Eisenhandels gebührende Berücksichtigung finden. Ein Antrag des bayerischen