Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

— 39 — 
Versailles, 31. Oktober 1870. 
„Gestern hatte ich den ganzen Vormittag im Spezialauftrag des Großherzogs 
mit Bismarck und Roon über den Kaisertitel und den Abschluß einer über die 
Bundesverfassung hinausgehenden Militärkonvention zu verhandeln. Beides ist 
zu meinem Erstaunen gelungen. Die Kaiserwürde scheint mir eine beschlossene 
Sache, und unsere Militärkonvention können wir sogleich abschließen, wenn ein 
geeigneter militärischer Unterhändler zu entsenden ist. Auch einige nach Karlsruhe 
zu verbringende Kriegsbeute ist uns zugesagt; passe auf, daß Du den Einzug 
siehst. Die Aufgabe, von Bismarck bestimmte Antworten zu erzielen, hatte mir 
etwas schwül gemacht. Ich ebnete mir den Weg durch Ueberreichung einer 
prachtvoll gearbeiteten, mit Diamanten geschmückten goldenen Feder, welche der 
Fabrikant Bissinger in Pforzheim Bismarck zur Unterzeichnung des Friedens 
schickte. Er hatte wirklich eine naive Freude daran, und ich freute mich dann 
seiner ungemein präzisen Geschäftsformen, nachdem ich auf seine ersten allgemeinen 
Antworten meine bestimmten Fragen wiederholte.“ 
* 
Versailles, 5. November 1870. 
„Noch am vorigen Sonntag, als ich mit Bismarck sprach, ging dieser von 
der Ansicht aus, Bayern werde unter annehmbaren Bedingungen kapituliren, 
er setzte aber dafür einen längeren Termin. Auf meine Bemerkung, eine allzu 
lange Frist könne den Widerstand Bayerns möglicherweise stärken und der 
sofortige Abschluß mit uns und Württemberg sei vielleicht der sicherste Weg 
zum Ziel, hatte er nur ein Lächeln, aus dem sich nichts schließen ließ. Heute 
hat sich aber nun möglicherweise das Bild wieder total geändert. Wir, d. h. die 
sämtlichen hier anwesenden Minister, waren heute zu Bismarck geladen, um 
Mitteilungen über die Verhandlungen mit Thiers zu hören. Er trug dieselben 
höchst anschaulich und lebendig, aber doch so vor, daß man beim Zusammenhalt 
seines Referats mit seinen Konklusionen nicht recht weiß, was eigentlich los ist. 
Thiers verhandelt über einen Waffenstillstand auf fünfundzwanzig Tage, um 
die Wahl einer Constituante, welche einen Frieden sanktioniren könnte, zu 
ermöglichen. Auch er scheint dabei von den tollsten französischen Illusionen 
befangen — Bismarck erzählte höchst ergötzlich, wie selbst Thiers nicht außer 
Zweifel zu sein scheine, ob es im preußischen Heer nicht eine halbwilde Völker- 
schaft von Ulanen gebe. Die Verhandlungen scheinen daran gescheitert, 1) daß 
Thiers Verproviantirung von Paris für die Dauer des Waffenstillstands ver- 
langte, die nicht gewährt werden konnte. Wie dem nun sei, Bismarck machte 
in seinem Vortrag plötzlich eine Wendung, vielleicht lasse sich mit Thiers eher 
über Frieden als über Waffenstillstand verhandeln und es sei ihm von Interesse, 
1) Nach einer späteren Notiz von Jolly war Bismarck über das Scheitern der ersten 
Verhandlung mit Thiers, „so sehr er natürlich den Friedfertigen spielen muß, höchlich 
erfreut.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.