Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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Unterhändlern mündlich über den Inhalt der Friedenspräliminarien geeinigt, 
die nun heute schriftlich festgestellt werden sollten. Die süddeutschen Minister 
sollten als Vertreter solcher Staaten, die selbständig den Krieg erklärt hatten, 
in dieser Eigenschaft mitwirken, wie er euphemistisch sich ausdrückte, d. h. zuhören 
und mit unterschreiben. So kalt mich diese Art Einschmuggelung in die Un- 
sterblichkeit läßt, so unvergleichlich anregend und ergreifend war mir die, wenn 
auch nur passive Assistenz bei einem der gewaltigsten Dramen, das sich denken 
läßt, so gewaltig, wie es nicht jedes Jahrhundert erlebt. Nachdem wir etwa 
dreiviertel Stunden mit Bismarck de bon humeur trotz heftigen Hexenschusses 
konversirt und dann noch ein Viertelstündchen allein geplaudert hatten, erschienen 
Thiers und Favre, und mun folgte eine lange Konferenz von reichlich fünf 
Stunden in engem Gemach. Die Verhandlungen, natürlich in französischer 
Sprache, wurden zwischen Bismarck und hauptsächlich Thiers geführt. Favre 
sprach sehr wenig, mein bayerischer Kollege streute halbstündig eine kurze Phrase 
ein, ich befleißigte mich nur des Zuhörens, und der während der Verhandlungen 
eingetroffene württembergische Kollege machte es wie ich. Thiers ist ein sehr 
kleiner, alter, ungemein beweglicher Herr von unglaublichem Wortreichtum. Sein 
Gesicht, nur durch eine sehr scharf gewölbte Nase ausgezeichnet, macht keinen 
angenehmen, überhaupt keinen bestimmten Eindruck. Es spiegelte sich in seinem 
ganzen Wesen eine große Erregung ab, welche die peinliche Gemütsstimmung 
des Unterhändlers erkennen ließ. Favre hat einen Charakterkopf, wie der Maler 
sich ihn wünschen muß. Er war sichtlich von so tiefem Seelenschmerz zerrissen, 
daß man ihn nur mit Sympathie betrachten konnte. Er war bei seiner Wort- 
kargheit präziser als Thiers, der ihn an Unermüdlichkeit und Gewandtheit weit 
übertrifft, aber an Würde ebenso weit hinter ihm zurücksteht und, nach absolutem 
Maßstab gemessen, doch weit mehr durch die Quantität als die Qualität seiner 
Leistungen imponirte. Ueber das Sachliche der in der That für Frankreich 
furchtbar schweren Bedingungen wurde kein Wort mehr gewechselt, nur an den 
Modalitäten — erfolglos — genergelt. Bismarck war geradezu bezaubernd, von 
großartiger Liebenswürdigkeit und liebenswürdiger Größe. Wenn Thiers sich zu 
sehr in langen Klageliedern erging, ohne bestimmte Gegenvorschläge zu machen, 
kam zu rechter Zeit ein seufzendes Stöhnen über die unerträglichen nervösen 
Schmerzen, die ihn fürchten ließen, die Verhandlungen nicht fortführen zu können; 
oder auch einmal in verbindlichster Form ein scharfer Sarkasmus, z. B.: Ich 
würde mich im Vertrauen auf Herrn Thiers gerne mit geringeren Garantien 
begnügen, wenn er erblicher König von Frankreich wäre; oder: Herr Thiers 
ist durch seine Beredsamkeit verwöhnt, durch welche er stundenlang große Ver- 
sammlungen fesseln kann, wir werden aber, wenn wir uns nicht einigen, in 
dreißig Stunden wieder schießen, und dergleichen mehr. Wirklich imponirend 
war aber der Hüne zwei-, dreimal, wenn er vollkommen chevaleresk und ohne 
jegliche persönliche Härte, um zum Abschluß zu kommen, erklärte, nicht der
	        
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