Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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aber liege Stillstand und Verwirrung nahe. Gegen Bismarck wage freilich 
niemand sich aufzulehnen, und er gebe den Einzelstaaten auch keinen Grund 
dazu, denn er sei mit einer wunderbar zarten Empfindung für reale Macht 
ausgestattet und werde das kleinste Staatsinteresse von Reuß nicht ohne Not 
verletzen, während er andererseits über die bedeutendsten Interessen Bayerns zur 
Tagesordnung übergehen würde, wenn höhere Interessen des Ganzen es ver— 
langten. Ganz anders aber, wenn einmal eine weniger geschickte oder feste Hand 
die Zügel führe, die durch stärkere Verletzung von Sonderinteressen den Anlaß 
zur Opposition steigere, während gleichzeitig der davon jetzt abhaltende Respekt 
sich mindere und die Möglichkeit zu allerhand schiefen Allianzen mit Reichstags- 
parteien sich eröffne. 
In einem Brief des folgenden Jahres bemerkte er ergänzend, daß seine 
Ansicht sich mehr und mehr verbreite. Der bayerische Minister Fäustle sage, 
im Bundesrat sei nichts zu machen; Friesen komme nur tagweise aus Dresden; 
Mittnacht meine, ein parlamentarisch organisirtes Staatenhaus würde die Par- 
tikularinteressen stärker schützen als der auf Schein hinauslaufende Bundesrat. 
Im Anschluß hieran gab er aber der Ansicht Ausdruck, daß der Reichsbau 
bereits sehr erstarkt sei. Mittnacht sei, wenn nicht reichsfreundlicher, so doch sehr 
resignirt geworden, und der Gedanke, einmal wieder aus dem Reich heraus- 
schlüpfen zu können, scheine bei ihm und den bayerischen Kollegen kaum mehr 
vorhanden zu sein. Nur verfolgten sie leider aus alter Gewohnheit oder aus 
notgedrungener Rücksicht auf ihre Höfe immer wieder unmögliche partikularistische 
Grillen, deren Unhaltbarkeit sie selbst einsehen, und die hinderten, daß man mit 
ihnen zusammengehen könne, um dem Ueberwuchern eines einseitig preußischen 
Standpunkts entgegenzutreten. 
Auch mündlich klagte Jolly oft über den Bundesrat, bezeichnete ihn als 
bloße Fortsetzung der Zollvereinskonferenzen und erzählte, der Präsident des 
Reichskanzler-Amts pflege die Etatsberatung mit einer Rede einzuleiten, die in 
der Einladung gipfle, ganz nach Gutdünken zu beschließen, aber ja nichts an 
den Zahlen zu ändern. Als er in der zweiten Kammer einmal auf das Thema 
kam, war er zwar in der Kritik zurückhaltender, warf aber die Fragen auf: 
Wird sich der Bundesrat nach seinen verschiedenen Aufgaben in verschiedene 
Behörden auflösen? Wird er in seiner Eigenschaft als Regierungsorgan vielleicht 
durch ein Reichsministerium ersetzt werden? Oder wird vielleicht, ohne daß. 
formell etwas geändert wird, der Bundesrat sich thatsächlich ausschließlich zum 
Staatenhaus oder zur Regierungsbehörde auswachsen? 
Die Unzufriedenheit mit dem Bundesrat entstand übrigens bei Jolly nicht 
erst durch die Teilnahme an seinen Verhandlungen, sondern hatte schon vor 1870 
auf Grund der Beobachtung aus der Ferne sich zu entwickeln begonnen und 
wurde vielleicht durch das Scheitern einer Hoffnung gesteigert, die er auf dieses 
Kollegium gesetzt hatte. Er meinte, das konstitutionelle System habe abgewirt-
	        
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