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schaftet, und berief sich dafür zunächst auf die kleinen Staaten, wo wegen der
geringen Bedeutung der zu entscheidenden Fragen Parteien nach unwichtigen
Gesichtspunkten entständen, und das Ministerium also, mit welcher Partei es
auch gehe, bei jeder erheblichen Maßregel einen sachlich unbegründeten Wider—
stand finde. Sein Urteil über die Landtage der großen Staaten war aber nicht
günstiger und wurde von ihm mit dem unstaatlichen, „manchesterlichen“ Sinn des
deutschen Bürgerstands begründet, der ihm in Baden bei der Militärorganisation
unangenehm entgegengetreten war. Er beklagte die Entwertung der Volks-
vertretung, weil ihm trotz der eben von Kaiser Wilhelm bewiesenen Tüchtigkeit
alle modernen Verhältnisse ein starkes Gegengewicht gegen die monarchische Gewalt
nötig erscheinen ließen, und er hielt eine Erweiterung dieser Gewalt für so
unmöglich, daß er der Volksvertretung trotz ihrer Unfähigkeit bis auf weiteres
ihre ganze, von ihm sehr weit bemessene Zuständigkeit belassen wollte. Aber
seine Zukunftshoffnungen setzte er auf die Schaffung eines neuen Staatsorgans,
für das ihm als Vorbild der Senat des alten Rom vorschwebte, der, aus den
besten staatsmännischen und administrativen Kräften der Republik zusammen-
gesetzt, regiert habe, während die Komitien debattirten und abstimmten. Er
hatte dem Fürsten Bismarck die Bewältigung auch dieser Aufgabe zugetraut
und im Bundesrat die Lösung des Problems zu finden erwartet. Diese schon
vor der Gründung des Reichs schwach gewordene Hoffnung mußte er nach seinem
Eintritt in das Kollegium zu Grabe tragen.
Im Jahre 1873 beteiligte sich Jolly, seine Abneigung gegen den Bundes-
rat überwindend, noch einmal an dessen Beratungen.
Von den Angelegenheiten, die die Körperschaft damals erörterte, interessirte
ihn namentlich das erst im folgenden Jahre zu stande gekommene Militärgesetz
und die Ausdehnung der Reichskompetenz auf das gesamte bürgerliche Recht. In
das Militärgesetz suchte er eine Bestimmung zu bringen, die er schon beim Abschluß
der Militärkonvention in Aussicht genommen hatte, indem diese feststellt, daß die
Soldaten „bis zur Einführung einer allgemeinen Bundeskokarde“ die Landeskokarde
tragen. Er beantragte demgemäß die Einführung eines gemeinsamen Abzeichens
des ganzen deutschen Heeres. Der Antrag wurde zwar von Preußen freundlich
aufgenommen, aber von den Mittelstaaten bekämpft und schließlich abgelehnt.
Er wurde erst 24 Jahre später bei der Zentenarfeier der Geburt Kaiser Wil-
helms I. ausgeführt. Dem Gesetz über die Schaffung eines deutschen Zivil-
gesetzbuchs stimmte Jolly mit der lebhaftesten Freude zu, sowohl wegen des
politischen Werts der Rechtseinheit als wegen des Gewinns, den er für die
Anwendung und Weiterbildung des Rechts von der Konzentrirung der Kräfte
der ganzen Nation auf ein einziges Gesetzbuch erwartete. Er widmete der Sache
eine Teilnahme, die den früheren Privatrechtslehrer wieder erkennen läßt, und
die sich in der sofortigen Erwägung der künftigen Stadien des großen Werks
äußerte. Die Zusammensetzung der Entwurfskommission aus Vertretern der