Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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zum Bundesrat nach Berlin ging, schrieb er seiner jungen Frau, einer geborenen 
Freiin v. Cornberg, täglich. In der Hauptsache waren es Mitteilungen über 
das persönlich Erlebte, über die gemachten und erhaltenen Besuche, Einladungen 
zu Hofe, zu der offiziellen Welt und zu befreundeten Familien, und über den Besuch 
der Theater und künstlerischen Veranstaltungen. Daneben wurden aber doch auch 
Bemerkungen über den Gang der Geschäfte im Bundesrat eingeflochten, soweit 
die Diskretion des Beamten und vielleicht noch mehr das Interesse der jungen 
Leserin dies natürlich gestatteten. Aus diesem Briefschatze mögen hier einige 
Notizen folgen zur Illustration des Lebens und Treibens eines in Berlin 
weilenden süddeutschen Bevollmächtigten zum Bundesrat und zur Ergänzung 
derjenigen Briefe und Tagebuch-Aufzeichnungen Freydorfs, welche bereits im 
vorhergehenden Bande Aufnahme gefunden haben. 
Berlin, den 23. November 1870. 
„Um halb 8 Uhr im Anhalter Bahnhof zu Berlin einfahrend, traf ich 
v. Türckheim, mit dem ich das nötigste Geschäftliche besprach. Bald war im 
British-Hotel ausgepackt, Toilette gemacht, waren die im selben Hotel wohnenden 
württembergischen Minister v. Mittnacht und v. Succow und der sächsische Minister 
v. Friesen besucht, worauf ich von 11—4 Uhr ununterbrochen eine große Anzahl 
Besuche fuhr. Außer Gneist traf ich nur General und stellvertretenden Kriegs- 
minister v. Klotz, den amerikanischen Gesandten Bancroft und Frau v. Türckheim 
zu Hause. Bancroft lud mich auf übermorgen zum Diner. Morgen beginnt 
das Geschäft, nachdem mir eine Besprechung, die schon heute stattfinden sollte, 
wieder abgesagt war.“ 
* 
Berlin, den 24. November 1870. 
„Heute hatte ich behufs einer Besprechung, die ich um halb 10 Uhr mit 
Minister Delbrück hatte, einiges mir Zugesandte zu lesen und zu vergleichen. 
Ich wurde knapp fertig. Nach der Konferenz ging ich zu Türckheim, um das 
Ergebnis zu telegraphiren, zu chiffriren und zu berichten. Inmitten der Arbeit 
mußte ich heimkehren, mich zur Eröffnung der Reichstagssitzung umzukleiden 
und ins Schloß zu fahren, wo die Feierlichkeit im Weißen Saale stattfand. 
Auf dem Rückweg Einschreiben bei der Kronprinzessin. Um 4 Uhr heimgekehrt, 
hatte ich eben Zeit, Uniform anzuziehen, um zum Diner bei der Königin zu 
fahren. Es waren dort die Mitglieder des Bundesrats und einige Generale, 
ich der einzige Süddeutsche. 
„Kaum hatte ich Zeit, die Uniform zu wechseln, um um 7 Uhr in einer 
Sitzung im Bundeskanzler-Amt zu erscheinen, von wo ich soeben, halb 10 Uhr, 
zurückkehre. Ich bin todmüde. Von Berlin werde ich wohl wenig oder nichts 
sehen.“ 
* 
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. III. 4
	        
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