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Berlin, den 7. März 1871.
„Gestern war glänzendes Diner bei Hansemann, an dem auch Türckheim,
der bayerische Minister v. Pretzschner, der amerikanische Gesandte Bancroft
teilnahmen, und von dem wir erst abends gegen 10 Uhr nach Hause kamen.
Diese haute tinance ist brillant logirt und eingerichtet.“
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Berlin, den 18. März 1871.
„Gestern arbeitete ich einiges, machte von 12 bis 1 Uhr Besuche und hatte
dann eine Sitzung des Bundesrats, vor deren Beginn ich den Grafen Bismarck
seit vier Monaten erstmals wieder sah. Die Sitzung dauerte bis 4 Uhr. Um
diese Zeit war die Stadt beflaggt, alles auf den Beinen, und es waren Vor-
bereitungen zu einer zweiten Illumination getroffen. Ich besah einen kleinen
Teil der Stadt, namentlich das Kriegsministerium, das ein Transparent mit
einem hübschen Aufband von Fahnen und Trophäen hatte. Zum Essen im
Petersburger Hofe unter den Linden war schwer durchzukommen. Als wir beim
Nachtisch saßen (nach 5 Uhr), verkündete ein durch die Volksmenge sich fort-
pflanzender Ruf vor dem Hause, daß der Kaiser komme. Wir traten unters
Thor, der Kaiser mit der Kaiserin, Kronprinz und Kronprinzessin, Großherzog
und Großherzogin fuhren in raschem Trabe durch das hutschwenkende, „Hoch!
rufende Volk vorüber. Es war eine aufrichtige, herzliche Begrüßung; in einer
halben Minute war alles vorbei. Abends war die Stadt wieder beleuchtet;
das Wetter war schöner als bei der ersten Illumination, und infolge besserer
polizeilicher Anordnungen war die Passage freier. Ich ging mit Jolly durch
die Leipziger-, Wilhelmstraße, Linden, beim Schloß vorüber, über die Kurfürsten-
brücke und Königstraße zum Rathaus. Hier war, während alles andere eine reine
Wiederholung der ersten Illumination darstellte, der Glanzpunkt. Strahlende,
der Architektur folgende Rundbogen, eine rot beleuchtete Nische mit der Büste
des Königs, von Zweigen umgeben und überbogen, am Turme die Fenster rot,
die Außenseite unten bläulich, oben rot widerstahlend, und auf den Zinnen in
rotem Lichte wehende Fahnen. Der Kaiser, die Kaiserin, der Kronprinz, die
Kronprinzessin, der Großherzog und die Großherzogin wurden, da und dort
vorüberfahrend, freudig und laut begrüßt. Alle waren in offenen Wagen."“
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Berlin, den 21. März 1871.
„Gestern hatte ich Besuch eines Herrn v. Behr, früher altliberalen, dann
freikonservativen Abgeordneten, der wegen Bildung der Parteien im Reichstag
und der Stellung unserer Abgeordneten dazu Rücksprache nahm, dann von
Türckheim, der mir die Nachrichten von den Aufständen und Parteikämpfen in
Paris und Versailles brachte. Ich war noch nüchtern, als ich 3½ Uhr mit