Jolly in das Restaurant Müller ging, wo wir die Abgeordneten Lasker,
v. Bennigsen, Bamberger, Roemer (aus Stuttgart beziehungsweise Tübingen)
trafen.
„Soeben — halb 3 Uhr — komme ich von der Eröffnung des Reichstags.
Nach dem Gottesdienst in der prachtvollen neuen, im obersten Stockwerk des
Schlosses erbauten Kapelle versammelten wir Bundesräte uns im Grünen Saale,
vor dem Bilde: Kaiser Heinrich V. läßt Pascalis verhaften“ von Lessing.
Im Nebensaale hängt Schorns ebenso großes Gemälde: „Gefangene Wieder-
täufer vor dem Bischof von Münster#. Graf Bismarck ging uns voran in
den Weißen Saal, wo schon die Abgeordneten versammelt waren. Ein alter-
tümlicher, aus Goslar herbeigeschaffter, dem Stuhle römischer Imperatoren
ähnlicher Kaiserthron stand unter einem Baldachin; der Keiser erschien unter
Vorantritt Moltkes mit dem Kaiserschwerte, v. Roons mit dem Scepter,
v. Peuckers mit der Krone und des Grafen Wrangel mit der Reichsfahne,
trat vor jenen Stuhl und las entblößten Hauptes, mehrmals von Beifall
unterbrochen, die Thronrede. Seine Stimme war anfangs bewegt, ward dann
fester. Rechts standen die Fürsten, Fürstinnen, Prinzessinnen, links die Prinzen
des Hauses; unmittelbar rechts vor dem Könige und Kaiser der Kronprinz.
Das Hoch auf den Kaiser brachte beim Eintritt der Alterspräsident der Kammer,
beim Austritt der bayerische Minister v. Pfretzschner aus."
"“ Berlin, den 22. März 1871.
„Zu der gestrigen Feier im Königlichen Schloß fuhren wir am westlichen
Portal an und stiegen drei bis vier Treppen hoch zu der Kapelle, welche unter
der 1849 und den folgenden Jahren erbauten Kuppel eingerichtet ist; die-
selbe faßt 1500 Menschen. Generalsuperintendent Hofmann hielt die Predigt,
Schleiermacher las einige Worte. Auf der Galerie des 115 Fuß hohen Raumes
sang ein trefflicher Chor. Kaiser, Kronprinz und alle Fürsten waren in Uniform,
die Kaiserin, Prinzessinnen und Fürstinnen meist in weißen Atlas gekleidet, von
Diamanten strahlend. Die Großherzogin sah in einem rosa Atlaskleide sehr
schön aus.
„Wir aßen darnach mit den Thüringern, Württembergern u. s. w. im
Restaurant Borchardt, tranken auf Kaiser und Reich, und von da ging ich
ins Opernhaus. Es ist bestimmt, daß ich diese „Fantasca“ nicht zu Ende sehe.
Nach dem Tanze der Amazonen, um 9 Uhr, ging ich zu dem Ministerresidenten
der Hansestädte, Dr. Krüger von Lübeck, zum Thee. Ich lernte dort Dr. Schleyden
aus Hamburg, Frau Krüger, Frau Gildemeister aus Bremen (Frau des dortigen
Bevollmächtigten zum Bundesrat), Frau v. Spitzemberg (Tochter v. Varnbülers)
kennen, der gleichfalls anwesend war. Mehrere Mitglieder des Bundesrats
waren anwesend; ein Herr v. Lepel, Vetter des unfrigen, gleichfalls bei den
Ulanen, sang Heines: