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12½ bis 3 Uhr hatte ich Sitzung des Ausschusses für Handel und Verkehr
über einen Vertrag mit Italien wegen Verpflegung von kranken und Beerdigung
von verstorbenen beiderseitigen Staatsangehörigen und über Ernennungen von
Konsuln des Deutschen Reichs. Um 5 Uhr war dann großes Diner von gewiß
500—.600 Personen im Weißen Saale und in der anstoßenden Gemäldegalerie
des Königlichen Schlosses. Ich saß gegenüber dem Fürsten Hohenlohe (ehemaligen
bayerischen Minister), Fürsten Hohenlohe-Langenburg, Fräulein v. Schönau u. s. w.
und zwischen dem General v. Kameke, der die Belagerungsarbeiten vor Paris
leitete und zwei Tage lang Kommandant von Paris war und sehr schlicht und
interessant erzählte, und Minister v. Krosigk von Sachsen-Meiningen. Ich wurde
dem Großherzog von Oldenburg vorgestellt, sprach die Abgeordneten v. Bennigsen,
Miquel, Hölder und Müller aus Württemberg, Dernburg aus Hessen, den mir
von früher bekannten Grafen v. Dürckheim-Monmartin aus Fröschweiler bei
Wörth, früher Präfekt in Colmar, dann Telegrapheninspektor, der mit einer
elsässischen Deputation an dem Diner teilnahm, den Prinzen von Wied, General
Vogel von Falkenstein, den russischen General v. Kutussow, den Großherzog
und Erbgroßherzog von Weimar.“
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Berlin, den 24. März 1871.
„Heute schrieb ich eine Note an den Bundeskanzler, die Zuziehung der
Theologen zur Wehrpflicht betreffend, in welcher Angelegenheit uns das erz-
bischöfliche Ordinariat zu Freiburg ungehörigerweise beim Bundeskanzler-Amt
verklagt hatte. Sodann studirte ich die in Karlsruhe entworfene Instruktion
für die Bundeskonsuln, die Funktion derselben als bürgerliche Standesbeamte
betreffend. Nach einem Gange zur Diskontogesellschaft in finanziellen Angelegen-
heiten verfügte ich mich zum Geheimen Legationsrat König, um obige Instruktion
zu besprechen. Sodann besuchte ich eine Plenarsitzung des Bundesrats, welche
von 1—5 Uhr dauerte, in der wir uns über einzelne Bestimmungen des
Gesetzentwurfs, betreffend die Entschädigung wegen beim Betrieb von Eisen-
bahnen und Bergwerken verübter Körperverletzungen und Tötungen, herum-
stritten. Graf Bismarck nahm an dieser Besprechung selbst teil; die badischen
Anträge gelangten meist zur Annahme. Sodann machte Graf Bismarck inter-
essante Mitteilungen über den Stand der Dinge in Versailles sowie in und
vor Paris.
„Um 8 Uhr ging ich auf eine Einladung der Juristischen Gesellschaft in
das „Englische Haus', Mohrenstraße Nr. 49, wo Professor Gneist einen
Vortrag: „Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte" hielt. Nach dem
Vortrag war gemeinschaftliches Abendessen; ich traf und sprach außer Gneist
den Professor v. Holtzendorff, Justizrat Borchardt, Anwalt Holthoff, Grafen
Wartensleben, Abgeordneten Hölder aus Stuttgart, Dernburg aus Hessen,
Professor Beseler von hier. Dieser brachte einen Toast auf den Bundesrat