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aus, den ich mit einem Toast auf die Vertreter der deutschen Wissenschaft
erwiderte. Dem Bundestag ist es in fünfzig Jahren nicht begegnet, daß man
in einer solchen Versammlung sein Wohl ausbrachte.“
*
Berlin, den 25. März 1871.
„Heute schrieb ich Bericht ans Staatsministerium:
1) über gestrige Plenarsitzung des Bundesrats;
2) über die Sitzung des Ausschusses für Handel und Verkehr vom
23. d. M. wegen Ernennung von Konsuln des Deutschen Reichs an
einem Dutzend Orte;
3) über meine gestrige Unterredung mit Geheimen Legationsrat König,
betreffend die Instruktion für die Bundeskonsuln für Eheschließungen
und Beurkundungen des bürgerlichen Standes.
„Als ich damit fertig war, war es halb 4 Uhr, und ich hatte mich in
Uniform zu stecken, um dann um halb 5 Uhr zum Diner im Palais des
Kronprinzen zu sein. Hier traf ich Bekannte von Versailles her: den russischen
General v. Kutussow, den Chef des Generalstabs General v. Blumenthal,
Hofmarschall Grafen Eulenburg; der Adjutant des Kaisers von Oesterreich
Graf Bellegarde, eine Deputation russischer Offiziere, welche zum Geburtstag
des Kaisers erschienen waren, speisten mit. Ich wurde der Kronprinzessin vor-
gestellt, lernte ihre Hofdamen Gräfin Brühl und Fräulein v. Below kennen.
Nach Tische erschienen die sechs kronprinzlichen Kinder, hübsch angezogen,
unbefangen und ungezwungen mit der Gesellschaft verkehrend — soweit sie
über drei bis vier Jahre alt sind. Graf Bismarck und der englische Botschafter
Lord Loftus waren ebenfalls anwesend."
*
Berlin, den 27. März 1871.
„Von 10½—12 Uhr hatte ich heute Sitzung des Ausschusses für Handel
und Verkehr über Ernennung von Bundeskonsuln, dann ging ich erstmals in
eine Sitzung des Deutschen Reichstags im Abgeordnetenhaus in der Leipziger-
straße. Es wurden einige Wahlprüfungen vorgenommen, dann ging die neue
Reichsverfassung in erster Lesung durch, ohne daß darüber viele Worte gemacht
wurden, und den Schluß bildete eine kurze Verhandlung des Freundschafts-,
Handels= und Schiffahrtsvertrags mit dem Freistaate Honduras. Graf Bismarck
erschien, ohne zu sprechen, Delbrück sprach geschäftlich, kurz und wenig. Die
Großherzoge von Baden und Weimar waren auf der Tribüne.
„Die Pariser und Versailler läßt man vorerst gewähren, bis sie Miene
machen, uns anzugreifen oder den Vertrag zu verletzen.
„Um 5 Uhr war Diner beim Kaiser zu Ehren des gestern angekommenen
Königs von Sachsen. Nach kurzer Cour ging es durch einen wunderschönen,