— 66 —
ohnedies langweilig; die Klerikalen haben schon früher zu viel Pulver verschossen,
die Versammlung ist müde und sehnt sich nach dem Ende. Von morgen ab
drängen sich wohl unsere Sitzungen und Arbeiten."
*
Berlin, den 23. April 1874.
„Es ist 4½ Uhr mittags, dies Papier beweist, daß ich noch im Reichstag
sitze. Ich habe soeben eine Rede beendigt, in welcher ich dem Führer des
Zentrums, früheren hannoverschen Minister Windthorst auf Angriffe gegen
Baden und auf Nergeleien gegen die kleineren Mitglieder des Bundesrats unter
wiederholtem und zuletzt rauschendem Beifall des Hauses herausgab. Also der
Zufall, daß ich bei der Rede des Abgeordneten Windthorst im Reichstage
anwesend war, verschafft Dir das Vergnügen, von mir in den Zeitungen
zu lesen.“
*
Berlin, den 24. April 1874.
„Im Reichstage nötigte mich der Abgeordnete Lender heute abermals zu
einer kurzen Erwiderung. Zu meiner gestrigen Rede kamen mir von allen
Seiten, auch von Abgeordneten, welche sich mir nun erst vorstellten und vor-
stellen ließen, auch von der Rechten, den Konservativen, Glückwünsche zu.
Gestern abend halb 10 Uhr fuhr ich in das Kaiserliche Palais. Der Kaiser
sieht so gut, gesund und frisch aus als je in den letzten Jahren, bewegte sich
ganz in der gewohnten Weise unter uns. Ich sprach kurz mit Kaiser und
Kaiserin, soupierte am Tische des Kronprinzen. Wahrscheinlich wird der Reichstag
nächsten Dienstag den 28. d. M. vom Kaiser selbst geschlossen, schon aus
Anerkennung für die Annahme des Militärgesetzes."“
*
Berlin, den 26. April 1874.
„Gestern packte mich auch der zweite Führer der Ultramontanen, v. Mal-
linckrodt an, dem ich ebenso diente wie Herrn Windthorst. Meine Reden
stehen (wohl nach dem stenographischen Protokoll) am besten in der „Kölnischen
Zeitung“. Heute hat der Kaiser den Reichstag geschlossen. Er las die
Thronrede fest und vernehmlich, sprach uns dann noch im Grünen Saal über
das Militärgesetz an, das ihm sehr am Herzen liegt. Ich esse heute beim
Minister des Innern Grafen Eulenburg, einem lustigen Junggesellen, dem
Geschichten wie die der „Hosen der Frau v. R.“ eine gefundene Sache sind. Die
Sache ging wirklich vor, aber nur mit einem Unterrock; auch hat Fürst B. nicht
anprobiert; aber die Geschichte, wie sie bei uns erzählt wird, ist schöner, und
ich bleibe dabei.“
*