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mir besprach. Er lud mich auf heute 5 Uhr (es ist 4 Uhr) mit den andern
süddeutschen Ministern zum Diner, so daß ich bei Türckheim absagen mußte.“
Berlin, den 11. April 1876.
„Heute war noch Sitzung und waren wir süddeutsche Minister noch eine
Stunde bei Fürst Bismarck. Ich empfahl Dich der Fürstin, welche bei dem
gestrigen Diner nach Dir fragte. Sprich nicht viel von meinem Verkehr mit
dem Fürsten, sonst sucht man viel dahinter und wundert sich, daß ich noch
Reisen mache, statt nach Karlsruhe zu eilen und über die Unterredungen zu
berichten.“
6. Hessen.
Ministerialrat Dr. Finger!)
(geboren Januar 1825).
Die unmittelbare Thätigkeit Fingers im Bundesrat war nicht erheblich;
längere Zeit hat er in demselben nur mitgearbeitet bei der Herstellung und
Beratung der Justizgesetze, im übrigen nur vorübergehend bei einzelnen wichtigeren
Gelegenheiten.
Von einem näheren Verhältnisse zu Bismarck kann man nicht reden.
Finger hat die Soireen des Fürsten Bismarck besucht, ist gelegentlich zum
Diner bei ihm gewesen und hat ihm zum 70. Geburtstage die Glückwünsche
des Großherzogs von Hessen überbracht; auch hat er den Fürsten bei seiner
Anwesenheit in Kissingen öfter besucht und ist dort zur Tafel gezogen worden.
Zum Geburtstag gratulirt er Bismarck jedes Jahr und erhält darauf freund—
liche Dankschreiben von demselben.
1) Geboren zu Monsheim in Rheinhessen, studirte Finger von 1841—1846 in Gießen,
Heidelberg und Berlin. Zuerst im Staatsdienst verwendet, wurde er 1855 Rechtsanwalt und
während seiner Thätigkeit als solcher 1862 in die zweite hessische Kammer als Abgeordneter
gewählt. Er gehörte dieser Kammer als gemäßigtes Mitglied der Fortschrittspartei (National-
verein) bis zu seiner Erkrankung im Jahre 1865 an. September 1872 wurde er unter dem
damals neu gebildeten Ministerium (Hofmann) in das hessische Ministerium der Justiz berufen,
April 1874 zum stellvertretenden Bevollmächtigten zum Bundesrat, 1. April 1879 zum
Geheimen Staatsrat im Ministerium des Innern und der Justiz, 28. Mai 1884 zum
Präsidenten dieses Ministeriums ernannt und zugleich mit der Führung der Geschäfte des
Staatsministers beauftragt. Juni 1884 wurde er zum Bevollmächtigten zum Bundesrat
bestellt und am 30. Juli 1884 zum Staatsminister und Minister des Innern und der
Justiz ernannt. Nachdem er 1896 von dem Ministerium der Justiz entbunden wurde,
bekleidet er zurzeit noch die Stellen des Staatsministers (zugleich Minister des Groß-
herzoglichen Hauses und des Aeußern) und des Ministers des Innern.