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nicht und so brachte denn Fäustle nun das Hoch aus, worauf Bismarck nach
einer schönen Verbeugung sich anschickte, den Saal zu verlassen, in der Thür
aber — wahrscheinlich war er durch Fäustle auf das Versehen aufmerksam
gemacht worden — kehrte er wieder um, trat in die Mitte des Saales, wo
bereits alles in der schönsten Unordnung umherstand, und erklärte nun unter
allgemeiner Heiterkeit noch die Eröffnung.
Um die elsaß-lothringischen Abgeordneten an der Präsidentenwahl teilnehmen
zu lassen, ist die erste Sitzung des Reichstags erst auf Montag anberaumt worden.
Simson will die Wahl zum Präsidenten nicht wieder annehmen, angeblich aus
Gesundheitsrücksichten, eigentlich aber wohl wegen des voraussichtlich stürmischen
Verlaufs der Verhandlungen, dem er in seinem Alter nicht mehr gegenübertreten
mag. Wahrscheinlich wird Herr v. Forckenbeck gewählt werden, sicher ist es
indessen noch nicht, da die Süddeutschen stark dafür eintreten, daß diesmal ein
Abgeordneter aus ihrer Mitte als erster Präsident aus der Urne springe. Man
nennt den Fürsten Hohenlohe.“ 1)
*
Berlin, den 17. Februar 1874.
An Frau Wanda v. Koethe.
„Gestern zogen die Elsaß-Lothringer, alle 15, einer nach dem anderen, in
den Reichstag ein; irgend welch demonstrativer Akt unterblieb, schon ihr Er—
scheinen aber rief eine lebhafte Bewegung sowohl im Saale als unter dem zahl-
reichen Publikum auf den Tribünen hervor. Den Verlockungen des Herrn Windt-
horst haben sie widerstanden; sie treten nicht in das Zentrum, sondern wollen
für sich bleiben, werden aber in der Regel allerdings wohl mit demselben
stimmen. Ein schriftlicher Antrag, dahin lautend: Der Reichstag wolle be-
schließen, daß die Bevölkerung Elsaß-Lothringens, welche, ohne darüber befragt
worden zu sein, dem Deutschen Reiche durch den Friedensvertrag von Frankfurt
einverleibt worden ist, sich speziell über diese Einverleibung auszusprechen berufen
werde, ist von ihnen eingebracht worden und wird ihnen Gelegenheit geben,
ihrem Herzen Luft zu machen. Daß derselbe mit großer Majorität abgelehnt
werden wird, ist selbstverständlich, ungewiß aber, ob sie, wenn dies geschehen,
den Reichstag wieder verlassen, oder ihre Sitze in demselben beibehalten werden;
sie selbst schweigen darüber, für meine Person aber halte ich das letztere für
das Wahrscheinlichere."“
*
Berlin, den 18. Februar 1874.
An Frau Wanda v. Koethe.
„Der von den in den Reichstag eingetretenen Elsaß-Lothringern gestellte
Antrag auf Plebiscit ist schon auf die heutige Tagesordnung gebracht worden
1) Gewählt wurde in der Sitzung vom 9. Febr. 1874 Forckenbeck zum Präsidenten,
Fürst Hohenlohe zum ersten Vizepräsidenten.