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wie gewöhnlich, für ein paar Minuten in den Saal ein, in dem sich die Mit—
glieder des Bundesrats zu versammeln pflegen. Nachdem er den bayerischen
Gesandten begrüßt, sah er mich auf der anderen Seite des Saales, kam stracks
auf mich zu, gab mir die Hand und sagte: Ich habe Sie neulich erst erkannt,
als ich vorüber war, sonst hätte ich Ihnen freundlicher für Ihren Gruß ge-
dankt. Es ist doch ein selten liebenswürdiger Herr. Er sah übrigens ganz
vortrefflich aus und las die Thronrede mit so kräftiger Stimme, daß sie all-
gemein verstanden wurde; bis auf den Schluß scheint sie mir in einem etwas
zu geschäftsmäßigen Tone gehalten zu sein. Auch Fürst Bismarck sieht sehr
wohl aus und war sehr heiter und gesprächig."“
*
Gotha, den 13. Dezember 1874.
An Frau Wanda v. Koethe.
„Der Jubel ist nun schon lange verklungen, 1) die unglückliche Vorsynode
hat mich aber bis jetzt dergestalt in Anspruch genommen, daß ich trotz aller
Anstrengung mit meinen Danksagungen noch stark im Rückstande bin.
Von der Liebenswürdigkeit des Königs von Bayern, der mir noch in
einem Handschreiben seinen Glückwunsch gesendet und das Großkreuz des Ver-
dienstordens der Bayerischen Krone verliehen hat?2), wirst Du wohl schon gehört
haben. Ich glaube, daß sie aus seiner eigensten Initiative hervorgegangen ist.
In Coburg war ich nahe daran, mit dem Herzog und der Frau Herzogin
erschlagen zu werden. In dem Arbeitszimmer des Herzogs stürzte, nachdem
wir dasselbe kaum verlassen hatten, der schwere Stuckplafond gerade auf die
Stelle herab, wo wir wohl zehn Minuten gestanden hatten. Da, wo die Herzogin
gestanden hatte, lag ein Stück, welches so schwer war, daß ich nicht im stande
war, es zu heben; sie wäre ohne Zweifel auf der Stelle tot gewesen."
1) Am 1. Dez. 1874 hatte v. Seebach sein 25jähriges Minister-Jubiläum gefeiert.
2) Von dem König von Bayern war die Verleihung des Großkreuzes vom Königlich
bayerischen Kronen-Orden mit folgendem Allerhöchsten Handschreiben begleitet: „Wie ich aus
Zeitungsberichten erfahre, feiern Sie heute das fünfundzwanzigjährige Jubiläum Ihrer
Berufung als Staatsminister. Ich nehme mit ganzem Herzen freudigsten Anteil an den
hohen Ehren und Auszeichnungen, welche Ihnen an diesem Tage erhebender Erinnerungen
beweisen, wie sehr ihr langjähriges segensvolles Wirken von allen Seiten Anerkennung
findet. Empfangen Sie auch meine wärmsten Glückwünsche und die Mitteilung, daß ich
Ihnen das Großkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone verliehen habe, der ich
mit besonderer Wertschätzung bin
Ihr
gewogener
« Ludwig.“
Hohenschwangau, den 1. Dez. 1874.
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. III. 6