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Personenstandes zu übereinstimmenden, in allen Bundesstaaten gleichmäßig an—
wendbaren Normen zu gelangen. Hierfür wurde zunächst der Gesichtspunkt
geltend gemacht, daß, jemehr die Grundsätze des gemeinsamen Indigenats und
der Freizügigkeit im Deutschen Reiche ihre Wirkungen äußern, um so mehr die
Fortdauer der bestehenden Ungleichheit des Rechts in Bezug auf die Ehe—
schließung zu einer Quelle von Verwicklungen und Uebelständen werden müsse.
Schon die Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes habe sich zu einem ersten,
in den Grenzen ihrer damaligen Kompetenz allein möglichen Schritte in jener
Richtung veranlaßt gesehen, indem sie durch Gesetz vom 4. Mai 1868 die
polizeilichen Beschränkungen der Eheschließung beseitigt habe. In den die Vor-
lage dieses Gesetzes begleitenden Motiven sei mit Recht hervorgehoben, daß in
der Regel die Ergreifung eines festen Wohnsitzes, die Verheiratung und die
mit der letzteren verbundene Gründung eines eigenen Haushalts eine eng zu-
sammenhängende Reihe von Akten bilden, durch deren Gesamtheit der Einzelne
erst die Grundlage seiner sozialen und sittlichen Existenz gewinne. Die per-
sönliche Freizügigkeit werde so lange einen wesentlichen Teil ihres Wertes ent-
behren, als sie nicht in dem Rechte, am Orte der Niederlassung eine Ehe zu
schließen, ihre weitere Entwicklung und ihren Abschluß finde. Allerdings würde
eine völlige Rechtsgleichheit auf diesem Gebiete durch eine übereinstimmende
Regelung auch des materiellen Eherechts, die zu den Aufgaben des gemeinsamen
Zivilgesetzbuchs gehöre, verwirklicht werden können. Von den materiellen Be-
dingungen der Eingehung einer rechtsgültigen Ehe, den Vorschriften über Ver-
löbnisse, Ehehindernisse und Scheidung, die zurzeit noch in den Landesrechten
beruhten, lasse sich aber die Form der Eheschließung trennen und den staatlichen
Interessen entsprechend regeln, ohne irgendwie dadurch in das berechtigte Gebiet
der Kirche hinüberzugreifen. Ein nicht minder gewichtiges Motiv für die Ein-
führung der bürgerlichen Ehe und der Standesregister liege in den Ansprüchen,
welche die römische Kurie dahin erhebe, daß auch das Gebiet des bürgerlichen
Familienrechts sich den Satzungen des kanonischen Rechts unterordnen solle,
und welche sie mit Hilfe der ihr ergebenen Geistlichkeit durchzuführen trachte.
Aus diesen Bestrebungen, wie aus der Schärfung der konfessionellen Gegen-
sätze überhaupt seien Anforderungen erwachsen, welche es in manchen Fällen
selbst den Angehörigen einer und derselben Konfession, um wie viel mehr den
Bekennern verschiedener Konfessionen unmöglich machten, zur Eheschließung zu
gelangen, ohne einem Gewissenszwange zu unterliegen. Solchen Zuständen
gegenüber sowohl das Rechtsgebiet des Staats zu wahren, als auch die
Gewissensfreiheit des Einzelnen zu schützen, liege im gemeinsamen Interesse
des ganzen Reichs. Allerdings sei das Bedürfnis nach einem Einschreiten der
Gesetzgebung als besonders dringlich zunächst in Preußen hervorgetreten. Dasselbe
habe sich aber auch in mehreren anderen Bundesstaaten bereits fühlbar gemacht,
und wenn es nicht überall in gleicher Weise empfunden werde, so lasse doch