Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Dritter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1873-1878). (3)

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sofort zuzustimmen, er sich vielmehr für verpflichtet erachte, der bayerischen Re- 
gierung die definitive Entscheidung über ihre Stellung zu dem Antrage noch 
vorzubehalten. 
In der Bundesratssitzung vom 11. Juni 1874 wurde hierauf mit 41 
gegen 17 Stimmen 1) beschlossen: 
1. Dem vom Reichstag beschlossenen Entwurf die Zustimmung nicht zu 
erteilen; 
2. den Reichskanzler zu ersuchen, unter Beteiligung der Bundesregierungen 
einen Gesetzentwurf über die Einführung der obligatorischen Zivilehe 
und die Beurkundung des Personenstandes aufstellen zu lassen und 
denselben baldthunlichst dem Bundesrat zur Beschlußnahme vorzulegen. 
Für diesen Beschluß stimmten: Preußen, Bayern, Württemberg, Baden, 
Hessen, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Anhalt, 
Waldeck, Reuß jüngerer Linie, Lübeck und Bremen. Der Großherzoglich hessische 
Bevollmächtigte erklärte: „Die Großherzogliche Regierung gehe, indem sie dem 
Beschlusse zustimme, von der Voraussetzung aus, daß durch denselben die ein- 
zelnen Regierungen nicht gehindert sein werden, behufs Einführung der obli- 
gatorischen Zivilehe und der Beurkundung des Personenstandes durch bürgerliche 
Standesbeamte in ihrem Gebiete vor Erlaß des in Aussicht genommenen Reichs- 
gesetzes auf dem Wege der Landesgesetzgebung vorzugehen.“ Der Bevollmächtigte 
für Hamburg erklärte, daß Hamburg nur gegen den Erlaß eines Reichsgesetzes 
über die Einführung der obligatorischen Zivilehe, dagegen für eine reichsgesetzliche 
Regelung der Beurkundung des Personenstandes stimme. 
Zur Ausführung des Beschlusses wurden ferner folgende Beschlüsse gefaßt: 
a) Die Bundesregierungen zu ersuchen, ihre Bemerkungen zur Sache 
durch formulirte, mit Motiven versehene Abänderungsvorschläge zu 
dem vom Reichstage angenommenen Gesetzentwurf dem Reichskanzler 
baldthunlichst mitzuteilen; 
b) demnächst kommissarische Beratungen in der Sache eintreten zu lassen.) 
Nachdem die gedachten kommissarischen Arbeiten beendet waren, beschloß 
der Bundesrat am 28. November 1874: 
1. von der Berufung einer besonderen Kommission behufs Aufstellung eines 
Entwurfes über die Einführung der obligatorischen Zivilehe und die 
Beurkundung des Personenstandes Abstand zu nehmen; 
2. den Ausschuß für Justizwesen mit der Aufstellung des gedachten Ge- 
setzentwurfs zu beauftragen; 
1) Zur Minorität gehörten: Königreich Sachsen, Großherzogtum Sachsen-Weimar, 
Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Herzogtum 
Braunschweig, beide Fürstentümer Lippe, beide Fürstentümer Schwarzburg. 
2) Ueber die Arbeiten dieser Spezialkommission vgl. die „Nat.-Ztg.“ Nr. 489 v. 
21. 10. 74.
	        
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