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finden werde, daß ich in der nächsten Zeit nicht werde daran denken können,
mich dort wieder von den Geschäften los zu machen! Hoffentlich finde ich dort
alles so weit vorbereitet, daß ich meinen Landtag in der ersten vollen Woche
des April einberufen kann.“
*
Berlin, 26. November 1869.
An Frau Wanda von Keethe.
„Nach Herrn Delbrücks Mitteilung geht die Absicht dahin, sowohl den
Bundesrat als den Zollbundesrat in nächster Woche einzuberufen und in rasch
aufeinanderfolgenden Sitzungen zu erledigen, was bis dahin von den Aus-
schüssen vorbereitet worden ist, alles übrige aber auf das nächste Jahr zu ver-
schieben, wo dann freilich eine ziemlich lange Diät in Aussicht stehen dürfte."“
*
Berlin, 5. Dezember 1869.
An Frau Wanda v. Koethe.
„Vielleicht hast Du in der „Kreuzzeitung“ gelesen, daß Graf Bismarck
gestern abend hier durchgereist sei, um sich wegen der Erkrankung seines Sohnes
nach Bonn zu begeben. Die Notziz ist nicht ganz richtig und in der Voraus-
setzung, daß Du Interesse daran nimmst, will ich Dir schnell sagen, was ich
von der Sache weiß.
Der junge Graf?') hat sich duellirt — natürlich wegen einer Lumperei,
wie dies bei den Studentenduellen gewöhnlich der Fall zu sein pflegt — und
einen Hieb in den Kopf davon getragen. Die WMunde war an sich nicht
unbedenklich, die Gefahr steigerte sich aber, da am dritten Tage ein starker
Schüttelfrost eintrat. In dessen Folge wurde nach Varzin telegraphirt, und die
Depesche klang so trostlos, daß beide Eltern sich alsbald auf den Weg machten,
kaum hoffend, den Sohn noch lebend zu finden. Hier fanden sie jedoch gestern
abend bei ihrer Ankunft eine anderweite Depesche beruhigenden Inhalts vor.
Graf Bismarck, der sich selbst nicht wohl fühlte, ließ daher die Mutter allein
weiter fahren, und von dieser ist bereits gegen Mittag ein neues Telegramm
eingegangen, nach welchem eine Lebensgefahr nicht mehr vorhanden zu sein
scheint.
„Ob Graf Bismarck nun hier bleiben und wieder in die Geschäfte eintreten
wird, darüber habe ich Sicheres nicht in Erfahrung bringen können. Morgen
wird es sich ja zeigen, ob er sich in der Sitzung einfindet. ) Auch darüber,
*) Gemeint ist Graf Herbert Bismarck.
**) Graf Bismarck blieb zunächst in Berlin, er begab sich erst am 23. Dezember nach
Bonn, um im Kreise seiner Familie das Weihnachtsfest zu verbringen. Im Jahre 1868
äußerte Seebach einmal seiner Tochter Wanda v. Koethe gegenüber: Wenn Graf Bismarck
bei den Bundesratsverhandlungen zugegen sei, gehe es immer am besten. Sehr oft hilft
ein guter Witz von ihm über Schwierigkeiten hinweg, die berghoch erschienen.